Rainer Lischka (*1942)

Fantasia für Fagott und Orgel

Verlag/Label: Edition Walhall, EW667
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2021/02 , Seite 58

„Langsam, frei“ spielt das Fagott anfangs eine freitonale Melodie, die mit einem synkopischen und prägnant appoggierten Tonwiederholungsmotiv eröffnet wird. Im weiteren Verlauf des Stücks entwickeln sich daraus, wie der Komponist im kurzen Vorwort schreibt, „immer wieder abgewandelte neue Gestalten: bald lyrisch, bald impulsiv, einmal frei, dann wieder rhythmisch betont“. Begleitend, dialogisch, aber auch solistisch fungiert der vollständig manualiter gehaltene Orgelpart.
Rainer Lischkas Tonsprache ist harmonisch fasslich und doch ungebunden, klangliche Zentren strukturieren immer wieder. Häufig werden Akkorde um Nebentoneinstellungen, aber auch jazzig anmutende Erweiterungen bereichert. Die kurze Episode „frei, prompte Imitation“ lässt vitale musikalische Gedanken erklingen, die zwischen den beiden Instrumenten überwiegend variiert alternieren. Der anschließende „sehr lebhaft“ überschriebene Abschnitt steigert das Tempo weiter. Durchgehende Viertelbewegungen herrschen in diesem tänzerisch schwingenden 2/2-Takt vor. Mit vielen Vierteltriolen rhythmisch abwechslungsreich gestaltet, intoniert hier die hauptsächlich in Staccato auszuführende Fagottstimme über perkussiven Akkordwechseln und Akkordfigurationen sowie über an Walking-Bässe erinnernde Elemente. Nach einer kurzen Zäsur entwickelt sich aus dem an der Orgel „langsam, verträumt“ und im dreifachen Pianissimo gespielten Anfangsmotiv ein zartes Klangbild, in dem das Fagott seine lyrisch kantablen Möglichkeiten zeigt. Nach einem Crescendo zum Forte hin wird an der Orgel aus den bereits vorher zu hörenden Akkordwechseln ein zweitaktiges, „giocoso“ zu spielendes Rhythmusmodell nachgebildet und mehrmals mediantisch wiederholt. „Straff im Metrum“ entspinnt sich nach einer kurzen Pause im Fagott synkopische Motivik, aber auch virtuose Sechzehntelketten, die von akkordischen Tupfern an der Orgel flankiert werden. Ein Saltarello-Einschub leitet über in einen Anklang des zuvor als „sehr lebhaft“ überschriebenen Teils, der jedoch „als freche Imitationen“ weitergeführt wird. Lange Fortissimo-Triller des Fagotts und synkopierte Akkordballungen steigern die Spannung, ehe unvermittelt, nach einer Generalpause, als Rückbesinnung an die bereits vorher in der „langsam und verträumt“ gespielten Episode eine lyrische Kantilene erklingt. Überaus wirkungsvoll kommt der Fagottist im abschließenden „Presto, brillante“ mit weiträumigen gebrochenen Akkorden, schnellen absteigenden Skalen und sequenzierenden Figuren zur Geltung.
Der Orgelsatz ist insgesamt trans­parent angelegt, die Registrierung sollte „möglichst farbig sein“. Das Werk ist für die Interpreten ohne größere Schwierigkeiten ausführbar und für die Hörer durchaus leicht erfassbar.

Jürgen Geiger