Edward Elgar

Enigma-Variationen op. 36

bearbeitet für Orgel von Eberhard Hofmann

Verlag/Label: Carus Partitur 18.011/00
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2018/03 , Seite 59

Die üppigen französischen Weiden sind weitgehend abgegrast, nun ziehen die Herden weiter und grasen im britischen Königreich. Diesen Eindruck mag man zumindest bei etlichen orgelaffinen Musikverlagen gegenwärtig gewinnen. Die vorliegende, im Stuttgarter Carus-Verlag erschienene Bearbeitung von Edward Elgars 1899 entstandenen populären Enigma-Variationen befremdet jedoch in mehrerlei Hinsicht. Der Titel suggeriert zunächst die Bearbeitung von Elgars Opus 36. Erst im Innenteil der Ausgabe erfährt der Benutzer, dass lediglich einzelne ausgewählte der insgesamt 14 Variationen bearbeitet worden sind, genauer: Nur „gut spielbare Transkriptionen von gemäßigtem Schwierigkeitsgrad“ werden präsentiert. Die technisch anspruchsvollen Variationen X, XI und XIV scheint man dem Käufer- (Organis­ten-) Klientel nicht zumuten zu wollen. Freilich hätte man das Werk in seiner Gänze transkribieren können und sollen. Es wäre damit ein Anreiz für ambitioniertere Spieler gegeben, diesen berühmten, etwas mehr als dreißig Minuten dauernden Variationenzyklus in Gänze in ihre Konzertprogramme aufzunehmen.
In seinem Vorwort schreibt Eberhard Hofmann: „Bei der Darbietung der Variationen auf der Orgel sollte man weniger den Klang des Orchesters imitieren wollen, als vielmehr versuchen, den Charakter der jeweiligen Variation zu erfassen und diese als reines Orgelstück zu behandeln.“ Wenig später heißt es sodann aber, bezüglich der Dynamik solle man sich gemäß dem Orches­ter im gleichen Klangfarbenbereich bewegen, ausgewiesene Solopartien – im Original zumeist dem Cello überlassen – nicht im Sinne der Orgel als Solo behandeln … Was will der Bearbeiter und was genau soll der Spieler nun tun? Handelt es sich hier um eine „orgelgemäße“ Transkription, die das Original für die spiel- wie klangtechnischen Möglichkeiten des Instruments umschreibt, oder doch eher um eine Art „Orgelauszug“ der Orches­­ter­partitur, welcher die Originalpar­titur in hand- und fußtechnisch „fassliche“ Noten ummünzt?
Wer es lieber „echt britisch“ hat, der greife – wenigstens bei der hinreißenden „Nimrod“-Variation – doch gleich auf die fraglos orgelgemäße Transkription von William H. Harris zurück, die nach wie vor mustergültig zeigt, wie sich der Elgar’sche (eher schlichte) Orchestersatz klang- und effektvoll auf die (romantische) Orgel übertragen lässt.
Drucktechnisch erscheint die Carus-Ausgabe indes auf höchstem Niveau mit einem visuell klar erfassbaren und ästhetisch ansprechenden Notensatzbild; dazu sind alle Stücke so angelegt, dass das Wenden vom Spieler mühelos selbst ausgeführt werden kann.

Wolfgang Valerius