Works from Marteau, Wolfrum, Reger, Höller

Edgar Krapp – Ingolf Turban

Edgar Krapp an der Schuke-Orgel von St. Moriz in Coburg; Ingolf Turban, Violine

Verlag/Label: Solo Musica (2022)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2022/04 , Seite 63

“Oberfranken im Nordosten Bayerns erregt in der Wahrnehmung Musikinteressierter meist nur durch die Bayreuther Festspiele Aufmerksamkeit. Schön ist es daher, dass die vorliegende CD-Neuveröffentlichung mit Musik für Orgel oder Violine und Orgel verborgene Schätze aus dieser Region ans Licht bringt.” (Gerhard Dietel)

Beste Wertung: 5 von 5 Pfeifen!

Oberfranken im Nordosten Bayerns erregt in der Wahrnehmung Musikinteressierter meist nur durch die Bayreuther Festspiele Aufmerksamkeit. Schön ist es daher, dass die vorliegende CD-Neuveröffentlichung mit Musik für Orgel oder Violine und Orgel verborgene Schätze aus dieser Region ans Licht bringt. Alle hier vertretenen Komponisten hatten nämlich ihre Heimat oder ihren Lebensmittelpunkt in Oberfranken, den knapp jenseits der Grenze im Oberpfälzischen geborenen Max Reger einmal großzügig mit eingeschlossen. Weiter stammt einer der Interpreten, Organist Edgar Krapp, aus Bamberg, und die Einspielungen entstanden in der Coburger Kirche St. Moriz.
Die dortige Orgel erweist sich als geeignetes Instrument für die meist in den Jahrzehnten um 1900 entstandenen Werke, welche hier präsentiert werden. Erbaut wurde das dreimanualige, mit 56 klingenden Registern ausgestattete Instrument im Jahr 1989 durch die Berliner Orgelbauwerkstatt Karl Schuke, überarbeitet und um zwei 32-Fuß-Pedalregister ergänzt im Jahre 2006. Äußerlich wirkt sie wie ein historisches Instrument; denn Hauptwerksgehäuse und Prospekt gehen auf eine Orgel Wolfgang-Heinrich Daums von 1740 zurück.
Die CD glänzt mit entlegenem Repertoire, sieht man einmal von Regers d-Moll-Toccata und D-Dur-Fuge aus op. 59 ab, einem bekannten Werkpaar, dem Edgar Krapp in Balance zwischen Rausch und Kontrolle überzeugende Gestalt gibt. Mit Reger eng befreundet war der französische Geiger Henri Marteau, dem das oberfränkische Lichtenberg zur Wahlheimat wurde. Marteaus von einem durchaus Reger-nahen „Prélude“ eingeleitete Passacaille op. 23/1 steht zwischen Traditionsbezug und -distanz: Ungewöhnlich lässt sie ihr chromatisches Thema erst im Manual erklingen, bevor vergleichsweise spät das Pedal hinzutritt.
Von dem im Frankenwald geborenen Rheinberger-Schüler und späteren Heidelberger Generalmusikdirektor Philipp Wolfrum nahm Krapp das melodieselige „Andante“ aus dessen zweiter Orgelsonate in sein Programm auf, ein Satz, der Neugier weckt, einmal die ganze Sonate kennenzulernen. Bei zwei Kompositionen für Violine und Orgel fungiert der Geiger Ingolf Turban als Partner Krapps. Gemeinsam sorgen die beiden für die Ersteinspielung von Henri Marteaus halb spätromantischer, halb neobarocker Fantasie für Orgel und Violine op. 27, die mit einem „Zwiegespräch“ beginnt und schließlich in Variationen über „Herzliebster Jesu“ mündet.
Jüngstes Werk auf dieser CD ist die 1948 komponierte Fantasie für Violine und Orgel des Bambergers Karl Höller, ein Werk, das seinem Titel mit immer wieder überraschenden Wendungen alle Ehre macht. Die Violine scheint, mit einem expressiven Solo, erst einmal allein auf weiter Flur, bevor im Dialog der Interpreten Scherzo artiges und getragener Choralgestus abwechseln, von einem Fugen-Intermezzo unterbrochen. Kammermusikalisches Spiel dominiert hier bis auf eine einzige große Steigerung, bei der die Orgel auch einmal ihre Plenum-Kraft entfalten darf.

Gerhard Dietel