Dieterich Buxtehude

Early Organ Works Codex E.B. 1688

Harald Vogel an Orgeln in Torrlösa, Helsingör, Pilsum, Roskilde, Damp, Hamburg, Norden und Lübeck; Thomas Fritzsch, Viola da Gamba

Verlag/Label: Dabringhaus & Grimm, MDG 314 2092-2 (2018)
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2019/02 , Seite 59

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Die meisten der hier zu hörenden Aufnahmen entstammen dem Codex E.B. 1688, der die frühesten Überlieferungen der Orgelwerke Buxtehudes enthält. Oft unscheinbar als Präludium betitelt, sind die Stücke improvisatorisch geprägt und gelten als Musterbeispiele für den „stylus phantasticus“. Sie zeichnen sich durch ihre Vielfalt an Strukturen und Stilen aus. So finden sich nicht nur klare Abfolgen von Präludium und Fuge, sondern oft überraschen die unvorhersehbaren Wechsel von freien mit fugierten Passagen oder von kunstvoll verzierten Figurationen über Orgelpunkten mit polyphonen Imitationsgeflechten.
Harald Vogel widmete sich diesem reichhaltigen Repertoire über einen langen Zeitraum (1986–2018) hinweg  und spielte sämtliche Werke Buxtehudes ein. Beeindruckend wie umfassend ist nicht nur Vogels Arbeit mit der norddeutschen Orgelliteratur, sondern auch die hier zu hörenden Instrumente, die nahezu alle in enger Verbindung mit Buxtehudes Biografie stehen. So gehören die Orgeln in Helsingør und Torrlösa zu seinen ersten Wirkungs­stätten. In Helsingør war Buxtehude Organist an der Sct. Mariae Kirke, bevor er in Lübeck Nachfolger des Organisten Franz Tunder wurde. Dort bespielte er auch die Stellwagen-Orgel der Jakobikirche; und in Hamburg spielte er auf der Schnitger-Orgel an der Hauptkirche St. Jacobi. Die Domorgel zu Roskilde wurde möglicherweise von Buxtehude besucht. Weitere bedeutsame Orgeln der Buxtehude-Zeit sind die Schnitger-Orgel in Norden, die Grotian-Orgel in Pilsum sowie die Orgel im Herrenhaus Damp.
Als Kommunionsmusik („sub communione“) konzipiert, finden sich unter den Aufnahmen überwiegend solche, die manualiter ausgeführt werden. Sie sind äußerst fein im Klang, gefühlvoll gespielt und trotzdem von außerordentlicher po­ly­phoner Komplexität und Kunstfertigkeit. In dieser Gruppe findet sich auch die bemerkenswerte Erst­einspielung der Sonata ex d (BuxWV Anh. 5), einer obligaten Gambensonate. Vom Wiener Hofkapellmeis­ter Antonio Bertali (1605–69) komponiert, transkribierte Buxtehude die Sonate für Orgel und Gambe. Das Zusammenspiel zwischen Harald Vogel an der Orgel und dem he­rausragenden Gambisten Thomas Fritzsch ist harmonisch und gut aufeinander abgestimmt. Den reduzierten und kammermusikalischen Werken stehen solche mit einem volleren Orgelklang („Plenumsästhetik“) gegenüber. Sie bedienen ein beeindruckend monumentales Klangideal, sind formal aber trotzdem genauso reichhaltig wie die klanglich reduzierten Kommunionsmusiken.
So besticht diese wunderbare Aufnahme vor allem durch das gelungene Zusammenspiel der einzelnen Werke und ihren spezifischen Klangidealen mit dem passenden Instrument und einer feinfühlig da­rauf abgestimmten Interpretation. Nicht zuletzt ist auch das Booklet überaus informativ aufbereitet; es enthält eine umfassende Expertise Ha­rald Vogels zu den Orgeln und Werken, die durch die ansprechenden Illustrationen der Instrumente noch bereichert wird.

Helena Schuh