Klaus Beckmann
Dietrich Buxtehudes Orgelwerke
Überlieferung – Edition – Historisch legitimierte Aufführungspraxis
Klaus Beckmann, geboren 1935, hat nicht nur bei zwei Verlagen Gesamtausgaben der Orgelwerke von Dietrich Buxtehude vorgelegt, sondern auch zahlreiche Beiträge zu seiner Methodik verfasst, mit der er einen aus seiner Sicht überzeugenden Notentext erarbeiten konnte, obwohl die Präludien und Choralbearbeitungen nur in zum Teil mehr oder weniger fehlerhaften Abschriften auf uns gekommen sind. Das war in den Vorworten und Kritischen Berichten der Notenbände nur in sehr verkürzter Weise möglich. Das vorliegende Buch gab ihm nun Gelegenheit, alles zu verbinden, zu ordnen und Updates zu liefern.
Am Anfang bietet Beckmann
eine Übersicht über die Quellenlage der Tastenmusik Buxtehudes und über seine mutmaßlichen Notationsgewohnheiten sowie über die uns heute oft anders notierten erhaltenen Abschriften. Kommentierte Auflistungen aller Neuausgaben, eine kurze Darstellung der Ornamentsymbole und deren vermutete Ausführung, eine Übersicht der Gesamteinspielungen auf Tonträgern, Biografisches und am Schluss ein Update der Nachweise von Beckmanns Richtigstellungen der Quellentexte bilden den Hauptinhalt des Bandes. Erstaunlicherweise werden dabei Buxtehudes Orgelchoräle noch nicht einmal erwähnt.
Die Darstellung der „Inneren Textkritik“ anhand mehrerer Beispiele ist das wichtigste Kapitel. In den sehr weitläufigen „Beiträgen zur historisch legitimierten Aufführungspraxis“ zitiert Beckmann größtenteils eigene Veröffentlichungen über direkte oder indirekte Hinweise aus Buxtehudes Umkreis über Artikulation, Temponahme usw., die als Anregungen für das Spiel von Buxtehudes Orgelwerken dienen können. Auch die Frage der Temperierung der Orgeln in Buxtehudes Umfeld, besonders der Instrumente von Arp Schnitger, schneidet Beckmann an. Meiner Meinung nach ist hier eine weitläufigere Diskussion nötig. Eine ausführliche Darstellung erfährt die Spielweise mit den Schwerpunkten Gliederung und Mikroartikulation. Beckmanns Vorschläge zur beispielhaften Lösung sind mit kurzen Notenbeispielen veranschaulicht. Seine Darstellung der Ausführung durch unterbrochene Balken, Bögen und Punkte erinnert an ältere Interpretationsausgaben, auch wenn natürlich alles sehr genau begründet ist. Ob das Buxtehude und seine Zeitgenossen beim Spielen nicht einfach extemporiert haben? Erst Organisten im 18. Jahrhundert, die flächiger komponiert und gespielt haben, wie z. B. Johann Gottfried Walther, haben sich dann in der Rückschau zu einigen ausgewählten Spieltechniken geäußert, die sie mal gelernt hatten.
Ich selbst hätte mir eine aus einer lebenslangen Beschäftigung des Autors mit dem Gesamtwerk Buxtehudes heraus gewachsene summarische Darstellung zu der Frage gewünscht, was eigentlich den Wert und den Reiz der Orgelmusik Buxtehudes ausmacht. Aber das war hier nicht das Thema. Trotz dieser oder jener Einwände ist das Buch als Ganzes sehr anregend und macht Lust darauf, weiter Buxtehude zu spielen.
Rüdiger Wilhelm