Werke von Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy und Franz Liszt

Die Wäldner-Orgel im Dom zu Halle

Michael Schönheit, Orgel

Verlag/Label: Querstand VKJK 1910 (2020)
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2020/02 , Seite 56

4 von 5 Pfeifen

Das Verdienst dieser Einspielung besteht darin, dass damit einem weitgehend im Schatten von Friedrich Ladegast stehenden mitteldeutschen Orgelbaumeister des 19. Jahrhunderts ein gewichtiges Denkmal gesetzt wird. Dazu gesellt sich das inspirierte Spiel Michael Schönheits, der die Aufnahmen laut Impressum insgesamt an einem einzigen Tage (sic) realisiert hat.
Der in Halle an der Saale ansässige Familienbetrieb der Wäldners machte besonders um 1850 mit hochwertiger Arbeit von sich reden. Deshalb ist zu begrüßen, dass das größte aus dieser Werkstatt hervorgegangene Instrument (II/P/33), er­baut zwischen 1847 und 1851, 2019 von Kristian Wegscheider restauriert, wieder zur Verfügung steht und von der Meisterschaft der Erbauer Friedrich Wilhelm, Christian und August Ferdinand Wäldner kündet.
Die Disposition stammt übrigens vom Magdeburger Domorganisten August Gottfried Ritter. Bei dieser Orgel handelt es sich um ein gewichtiges Klangdenkmal aus jener Epoche, in der Felix Mendelssohn Bartholdy und Franz Liszt die Entwicklung der Orgelmusik prägten und nachhaltig beeinflussten. In­so­fern geht Michael Schönheits Konzept perfekt auf, nämlich die Orgel mit einer Auswahl von Werken dieser beiden Komponisten darzustellen. Zu den beiden Sonaten in f- und c-Moll aus op. 65 von Mendelssohn gesellt sich Liszts Präludium nach Bachs Kantate „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“.
Die inhaltliche Klammer um die gesamte Einspielung spannte Michael Schönheit mit zwei gewichtigen Bach’schen Werken in c-Moll, nämlich Fantasie und Fuge BWV 537, die er – tonartlich passend – zusammen mit der Choralbearbeitung „O Mensch, bewein’ dein’ Sünde groß“ sowie der Passacaglia am Ende der CD zu einem Komplex vereint. Abgerundet wird die Aufnahme mit Bachs Einleitung und Fuge zur Kantate BWV 21 in der Bearbeitung von Liszt, dessen Name auf der Trackliste allerdings nicht erwähnt wird, sowie der Choralbearbeitung „Vor deinen Thron tret ich hiermit“, die offenbar durch einen technischen Defekt beim Mas­tering auf der CD gleich zweimal hintereinander erklingt.
Michael Schönheit widmet sich vor allem dem reichhaltigen Fundus der wunderschönen Grundstimmen der Wäldner-Orgel. So gerät ihm BWV 537 wahrlich zu einem beeindruckenden Passionsstück, indem er auch bei der Fuge auf Obertönigkeit und scharfe Mixturen verzichtet und damit dem meditativ-melancholischen Charakter gerecht wird. Bei der Passacaglia reflektiert er das Interpretationskonzept von Johann Gottlob Töpfer mit einer vom Piano bis zum Forte gesteigerten Dynamik und einer – wie auch bei BWV 537 – am Legato orientierten Spielweise, was sich bei der Stilistik dieser Orgel geradezu anbietet. Fulminant setzt er die beiden Sonaten von Mendelssohn auf die Tasten, wobei er keineswegs in frömmelnde Melodik verfällt, die Ritardandi nie übertreibt und auch bei Bach die Rhetorik angemessen dosiert. Das Booklet im Digipack vermittelt in knapper Form die wesentlichen Angaben zur Geschichte und zur Restaurierung der Wäldner-Orgel.

Felix Friedrich