Franz Schmidt / Anton Bruckner

Die Symphonische Bruckner-Orgel von St. Florian

Präludium und Fuge D-Dur; Chaconne cis-Moll / Präludium C-Dur; Adagio aus der 7. Symphonie cis-Moll

Verlag/Label: Spektral SRL4-08032 (2008)
erschienen in: organ 2009/03 , Seite 56

3 Pfeifen

 

Zu Lebzeiten war Anton Bruckner als Organist weit berühmter denn als Komponist. Mit seinen Sinfo­nien blieb er zeitlebens umstritten, als Interpret machte er dagegen sogar in Paris und London Furore, wobei vor allem seine Improvi­sa­tionskunst bewundert wurde. Die Kehrseite der Medaille ist, dass von Bruckner kaum schriftlich fixierte Orgelmusik überliefert ist und da­runter wiederum nur ein einziges Stück aus seinen Reifejahren: das
so genannte „Perger Präludium“ in C-Dur, 1884 kurz nach Vollendung der 7. Sinfonie entstanden.
Auf der vorliegenden CD, bei der Robert Kovács die „Bruckner-Orgel“ von St. Florian vorstellt, erklingt dieses Präludium als einzige Originalkomposition ihres Namens­patrons. Dem technisch schlichten, nur eine Druckseite umfassenden Stück verleiht Kovács dennoch über­wältigende Wirkung, indem er ein extrem breites Tempo wählt und durch dynamische Feinabstufungen die überraschenden Harmoniefolgen hervorhebt. Ebenso eindrucksvoll inszeniert Kovács die weitgespannten Melodiebögen des Adagio aus Bruckners Siebter in der Orgeltranskription von Erwin Horn, die an Intensität hinter dem orchestralen Original nicht zurücksteht. Die oft geäußerte Ansicht, Bruckners Orchestersatz sei vom Orgelklang beeinflusst, erfährt hier eine Beleuchtung aus umgekehrter Perspektive.
Ob Anton Bruckners eigenes Spiel in St. Florian vergleichbar geklungen hat? Zu bedenken ist bei die-ser Frage, dass das Instrument (das erst seit dem 20. Jahrhundert als „Bruckner-Orgel“ bezeichnet wird) eine komplexe Geschichte technisch oder ästhetisch motivierter Umbauten hinter sich hat. 1770-74 durch Franz Xaver Krismann erstellt, galt es mit seinen damals drei Manualen und 74 Stimmen über ein Jahrhundert lang als die größte Orgel der Donaumonarchie. Freilich hatte man bereits zu der Zeit, als Anton Bruckner hier Stiftsorganist war, Verbesserungen in der Balganlage und Erweiterungen im Regis­terbestand vorgenommen. Nach einer Romantisierung im späten 19. Jahrhundert und einem Rückbau um 1950 in Richtung des ursprünglichen Klang­ideals präsentiert sich das zuletzt 1994-96 von der Firma Kögler renovierte Instrument nun mit elektrischer Traktur und einem Bestand von 7386 Pfeifen, die sich auf 103 Register verteilen.
Die Klangmöglichkeiten der Bruckner-Orgel in ihrem jetzigen Zustand demonstriert Robert Kovács auf der vorliegenden CD des Weiteren mit Kompositionen von Franz Schmidt. Dessen bekanntes D-Dur-Präludium lässt er wie rhapsodisch wirken, um dann eine ganz gemessen schreitende Fuge anzuschlie­ßen. Mit großem Atem spannt Kovács schließlich die großen architektonischen Bögen von Schmidts cis-Moll-Chaconne auf, in der sich Polyphonie und Klangreichtum, Variationsprinzip und Sonatenform bewundernswert vereinigen.

Gerhard Dietel