Die Späth-Orgel in St. Oswald Regensburg

Werke von Scheidemann, Bach, Böhm, de Neufville, Mozart, Pasquini und Krebs. Roman Emilius, Orgel

Verlag/Label: TYXArt Chromart Classics, TXA 19144 (2020)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2021/02 , Seite 59

Ein gängiges Vorurteil lautet, dass man auf süddeutschen Orgeln des 17. und 18. Jahrhunderts kaum mehr als das dort entstandene, meist für die katholische Liturgie gedachte Repertoire spielen könne. Roman Emilius straft dieses Verdikt, das viele Instrumente ihre Authentizität gekostet hat, mit seiner farbenreichen Einspielung Lügen.
Auch die Späth-Orgel (1750) der Evangelischen Kirche St. Oswald in Regensburg war 1964 diesem Missverständnis zum Opfer gefallen, bevor sie 1988–91 durch Orgelbau Klais wieder ihrem ursprünglichen Zustand angenähert wurde. Mit 18 Stimmen ist ihr Fundus überschaubar, dazu ungleich verteilt: Hauptwerk neun Register mit fünf Unterscheidlichen, Nebenwerk fünf Register und Pedal vier Register.
Besonders für „exterritoriale“ Literatur ist hier eine ausgfeilte Regis­trierkunst gefragt. Wohl auch weil Roman Emilius für die Planung der Bach-Orgel in der Regensburger Dreieinigkeitskirche (siehe seinen Beitrag in diesem Heft) diesen Instrumententyp eingehend studiert hat, kann er sich dieser Herausforderung stellen und Altbekanntem wie Georg Böhms Variationen „Freu dich sehr o meine Seele“ neue Töne ablauschen. In deren Partita 7 flüs­tert die Gamba con traverso gera­dezu; gerne würde man über diese und andere ungewöhnlich benannte Stimmen der Orgel etwas mehr erfahren.
In Mozarts berühmtem Adagio C-Dur (KV 356) meint man, mit der schwebend gestimmten Fugara tatsächlich eine Glasharmonika zu vernehmen. Weniger bekannt dagegen sind Bachs Fantasie a-Moll (BWV 561) oder gar die intime, fast stille Ciacona h-Moll von Johann Jacob de Neufville. Eine originelle Idee ist es, drei F-Dur-Stücke von Johann Ludwig Krebs als kleine Suite zu formieren und ans Ende des Präsentationsprogramms zu stellen. Mit Augenzwinkern verwendet Emilius für das Solo in der vertrauten Fantasia a gusto italiano die Sesquialtera: In der C-Dur-Wiederholung gerät dies zusammen mit dem hier kräftig wirkenden Tremulanten fast zur Parodie einer alternden Singstimme.
In einigen Akkord-Kombinationen von G-Dur machen sich leider Stimmungs- bzw. Windprobleme bemerkbar. Auch ist das Booklet (D, E, F) mit seiner eng laufenden Schrift vor wabernder Hintergrundgrafik etwas mühsam zu lesen. Dafür sind in den Werkkommentaren sämtliche Registrierungen enthalten. Die behutsame, jedoch keineswegs schüchterne Interpretation durch Roman Emilius führt zu dem Schluss, dass süddeutsche Orgeln weit universeller sind als ihr Ruf.

Markus Zimmermann