Konstantin Reymaier (Hg.)

Die Riesenorgel im Wiener Stephansdom

Verlag/Label: Schnell & Steiner, Regensburg 2020, 224 Seiten, größtenteils farbige Abbildungen, 28 Euro
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2020/03 , Seite 55

Eine umfassende Darstellung der Orgelgeschichte des Wiener Stephansdoms fehlte bislang in der Fachliteratur. Die Komplettierung der Orgelanlage um das von der Firma Rieger neu erbaute Instrument über dem Riesentor war ein willkommener Anlass für eine entsprechende Aufarbeitung. Die von Domorganist Konstantin Reymaier herausgegebene Publikation zielt natürlich in erster Linie auf die Beschreibung des historischen Hintergrunds der Domorgeln und der Genese der neuen Riesenorgel ab. Ergänzt werden diese Themen zudem durch mehrere Beiträge zu der seit dem 14. Jahrhundert nachweisbaren musikalischen Praxis im Dom.
Gottfried Allmers verdienstvolle Darstellung zur Geschichte der Domorgeln bildet dabei gewissermaßen den Kern des Buchs. Auf über vierzig Seiten erhält der Leser hierzu einen exzellenten Überblick. Eine perfekte Ergänzung sind u. a. die Beiträge des Geschäftsführers der Firma Rieger, Wendelin Eberle, oder des Domorganisten Konstantin Reymaier zu Entwicklung und Durchführung des Bauvorhabens – quasi aus erster Hand. Gerade wenn man durch diverse andere Publikationen bereits etwas mit der Vorgeschichte des Orgelneubaus von 1991 vertraut ist, kommen hier ungeahnte Details ans Licht, die von den ebenfalls veröffentlichten Konstruktionszeichnungen der neuen Riesenorgel gekrönt werden.
Zahlreiche qualitativ hochwertige Fotos zeigen nicht nur den Aufbau der neuen Großorgel, sondern auch bislang offensichtlich noch nie pub­lizierte Aspekte musikhistorisch interessanter Dokumente und nicht mehr existierender Vorgängerorgeln. Auch die Geschichte der im Dom heute nicht mehr genutzten Orgelstandorte, wie z. B. der berühmte Pilgramsche Orgelfuß, ist mit einem Beitrag von Dombaumeister Wolfgang Zehetner vertreten. Eine gelungene Abrundung der Begeis­terung für die Instrumente und die Bausubstanz leisten schließlich die Aufsätze zu den Anfängen der (Orgel-)Musik im Wiener Stephansdom, die Beschreibung einer Ordnung der Dommusik von 1638 wie auch der detaillierte Einblick in Gesangbücher und Gemeindegesang rund um den Stephansdom von Franz Karl Praßl. Für den nicht deutschsprachigen Leser hält das Buch zu jedem Beitrag überdies eine kurze Zusammenfassung auf Englisch bereit.
Letztlich bleibt dem organologisch interessierten Menschen nur noch die Frage, welche Pfeifen jetzt genau von der alten Kauffmann-Orgel übernommen worden sind. Eine Aufstellung der Pfeifenherkunft bzw. eine kommentierte Disposition – ähnlich wie im Buch zur Passauer Domorgel desselben Verlags – wäre als letztes Extra noch willkommen gewesen. – Trotz der überragenden Fülle an Details zur Orgel und Musizierpraxis, die gerade an einer so wichtigen Stätte wie dem Wiener Stephansdom sicherlich mehr oder minder unerschöpflich erscheinen, ist es in bemerkenswerterweise gelungen, eine Publikation zu erstellen, die einerseits kurzweilig erscheint, andererseits aber auch den allgemein musikalisch-kulturell interessierten Leser nicht etwa mit orgelbaulichen Fachbegriffen überfordert.

Philipp Pelster