Krüger, Ekkehard

Die Orgeln der Marienkirche Beeskow

Sechs Jahrhunderte Orgelbaugeschichte in einer brandenburgischen Stadt (= ortus studien 12)

Verlag/Label: ortus musikverlag, Beekow 2013, 173 Seiten, 29,50 Euro
erschienen in: , Seite 62
Die historische Aufarbeitung der lokalen und regionalen Orgeltopografie ist eine der Voraussetzungen für das Verständnis der allgemeinen Geschichte des Instruments: In den für Kirchen und Säle, Schulen (und Privatsalons) etc. entstandenen Werken spiegeln sich stets auch ideengeschichtliche Strömungen der jeweiligen Epochen wider, manchmal gar vorwegnehmend oder aber verzögert. Der Bau von Orgeln kann zudem als punktuelle oder Reaktion auf politische, religiöse und wirtschaftliche Ereignisse aufgefasst werden, insofern die Neuanschaffung von Instrumenten immer eingebettet ist in die sozio-kulturellen Kontexte.
Konkret lassen sich diese Zusammenhänge auf die Orgelwerke der Marienkirche in Beeskow, Landkreis Oder-Spree, Brandenburg, beziehen, die vom späten Mittelalter bis in die Gegenwart zu belegen sind: Ein erstes Instrument vom Beginn des 15. Jahrhunderts überdauerte mit Veränderungen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, als Friedrich Emanuel Marx (1767–
1826) aus Berlin im Jahre 1818 einen Neubau (II+P, 23) errichtete. Veränderungen und Verfall sowie der Verlust der Prospektpfeifen im Weltkriegsjahr 1917 verlangten ab den 1920er Jahren nach einer musikalisch-künstlerisch befriedigenden Lösung, die sich 1931 mit dem Einbau des im UFA-Palast am Zoo in Berlin nicht mehr benötigten „Os­ka­lyds“ (III+P, 27) der Firma E. F. Walcker & Cie., Ludwigsburg, op. 2098, fand. Diese Kino-Orgel, eine der größten ihrer Art, war bis zur Zerstörung der Kirche am 24./25. April 1945 durch die vorrü­ckenden Truppen der Roten Armee in Gebrauch. Für die 1952 im südlichen Seitenschiff der Ruine eingerichtete und bis heute bestehende sogenannte Notkirche kam ein Positiv (I+P [angehängt], 5 B/D) zur Verwendung, das im Jahre 1949 von der Firma Alexander Schuke, Potsdam, op. 219, für die Sakristei geliefert worden war. Nachdem das Schuke-Positiv im Jahre 1965 als op. 361 vergrößert worden war (II+P, 13), um den Raum klanglich besser zu erfassen, wurde 1974 ein weiteres Positiv (I, 3 – Modell L) der Firma VEB Frankfurter Orgelbau „Sauer“, op. 2011, wiederum für die Sakristei angeschafft. Es zeigt sich somit das Bild einer wechselvollen Geschichte, in der aufgrund der durch äußere Einflüsse im 20. Jahrhundert („Weimarer Republik“, „Drittes Reich“, „DDR“) gegebenen Zwänge zum Sich-Bescheiden letztlich ein die Realitäten respektierendes und damit wohl eher unfreiwillig nachhaltiges Ergebnis gefunden worden ist. Inwieweit der nach 1989 in der Niederlausitz angelangte wirtschaftliche Aufschwung auch irgendwann zur Integration einer großen Orgel in der wieder aufgebauten Marienkirche führen wird, ist derzeit (noch) nicht absehbar.
Der Autor hat den Verlauf der Historie zum Teil sehr ausführlich dargestellt, wobei die recherchierten Quellen jede einzelne Station nachvollziehbar machen. Der Anhang bringt wichtige Archivalien in Übertragung oder Faksimile, ein Literaturverzeichnis sowie ein Register zu Personen und Orten. Die schlichte Ausstattung mit mittelmäßigen Re­produktion von S/W-Abbildungen lässt etwas von den in der Orgelgeschichte der Stadt ablesbaren Einschränkungen erahnen, denen man bis heute entgegentritt.
 
Michael Gerhard Kaufmann