Kurt Estermann (Hg.)
Die Orgeln der Hofkirche in Innsbruck
Tiroler Orgelschatz, Bd. 5 Teil 1: Ebert-Orgel / Teil 2: Die italienische Orgel in der Silbernen Kapelle
“Nur selten bekommen Interessierte so detaillierte Informationen zu wichtigen Orgeln in dieser Qualität – und dazu noch in Wort, Bild und Ton.” (Markus Zimmermann)
Der vorzüglich recherchierten und ebenso ausgestatteten Reihe „Tiroler Orgelschatz“ wurde mit den überfälligen Dokumentationen zur weltberühmten Ebert-Orgel von 1561 und der italienischen Orgel in der „Silbernen Kapelle“ der Innsbrucker Hofkirche ein gewichtiger Doppelband hinzugefügt. Die spätgotische ehemalige Klosterkirche ist mit ihrer reichen und erstklassigen Ausstattung alles andere als ein Zeugnis franziskanischer Armut; „kunstgewordene PR-Abteilung“ der Habsburger-Kaiser Maximilian I., Leopold I. und Ferdinand I. wäre zutreffender. Dies legt jedenfalls der einleitende Beitrag von Franz Caramelle nahe.
Alfred und Matthias Reichling lassen in ihre mit Kenntnissen zum Orgelbau in Tirol prall gefüllte Schatztruhe blicken: Indem sie die Genese aller in der Hofkirche nachweisbaren Orgeln berücksichtigen, wird erst verständlich, weshalb dort ein einzigartiges Renaissance-Instrument – zumindest in wesentlichen Teilen – überdauern konnte. – In einem weiteren Beitrag beleuchten die Autoren das Schaffen des im ganzen süddeutschen Sprachraum gefragten Orgelbauers Jörg Ebert.
Reinhard Böllmann ist einmal mehr mit einer detaillierten Beschreibung der Ebert-Orgel vertreten, inklusive zahlreicher Fotos und Zeichnungen. In Blaudruck ist überdies der Restaurierungsbericht von Jürgen Ahrend eingebettet. Dank der Betrachtung aus der großen zeitlichen Distanz zur nach wie vor gültigen Restaurierung in den 1970er Jahren erfahren auch die Umbauten, insbesondere die Veränderungen durch Johann Caspar Humpel zu Beginn des 18. Jahrhunderts, eine angemessene Würdigung: Man hatte um 1970 fast ausschließlich auf die Wiederherstellung des mutmaßlichen Zustands von 1561 fokussiert, wogegen man aus heutiger Sicht zumindest einige der zwischenzeitlich erfolgten Veränderungen in ein Restaurierungskonzept einbeziehen würde.
Bei geschlossenen Flügeln wirkt die Ebert-Orgel mit ihren grauen Flächen fast nüchtern, zumal sie vom Kirchenschiff aus nur teilweise in der Seitenansicht erkennbar ist. Ihre ikonographische Pracht zum Thema „vorbildliches Königtum“ entfaltet sie erst im offenen Zustand – zur genauso königlichen Musik eben. Hemma Kundratitz widmet sich den bildlichen Darstellungen und ihrer nun über hundertjährigen Restaurierungsgeschichte. Dabei lüftet Kundratitz das Geheimnis eines Kuriosums: Die Flucht nach Ägypten erscheint hier nicht ganz logisch dargestellt, da die beiden Flügeltüren des Rückpositivs derzeit vertauscht montiert sind.
Äußerst lesens- und beherzigenswert sind die Ausführungen von Brett Leighton und Johannes Strobl zur Tastenmusik um Paul Hofhaimer sowie von Franz Gratl zur Musikpflege an der Innsbrucker Hofkirche. Erstere gehen verstärkt auf Intavolierungstechniken, Pedalgebrauch und die Alternatim-Praxis ein; Letztere reflektieren die Aufführungssituationen im Raum damals und heute: Musizierte die
kaiserliche Hofkapelle auf dem Brückenchor und sandte die quasi himmlischen Klänge aus dem „Off“, so agieren die Musiker heute meist im Presbyterium, werden jedoch von den Aufbauten des Kaiser-Grabmals verdeckt.
Alfred und Matthias Reichling lassen in ihre mit Kenntnissen zum Orgelbau in Tirol prall gefüllte Schatztruhe blicken: Indem sie die Genese aller in der Hofkirche nachweisbaren Orgeln berücksichtigen, wird erst verständlich, weshalb dort ein einzigartiges Renaissance-Instrument – zumindest in wesentlichen Teilen – überdauern konnte. – In einem weiteren Beitrag beleuchten die Autoren das Schaffen des im ganzen süddeutschen Sprachraum gefragten Orgelbauers Jörg Ebert.
Reinhard Böllmann ist einmal mehr mit einer detaillierten Beschreibung der Ebert-Orgel vertreten, inklusive zahlreicher Fotos und Zeichnungen. In Blaudruck ist überdies der Restaurierungsbericht von Jürgen Ahrend eingebettet. Dank der Betrachtung aus der großen zeitlichen Distanz zur nach wie vor gültigen Restaurierung in den 1970er Jahren erfahren auch die Umbauten, insbesondere die Veränderungen durch Johann Caspar Humpel zu Beginn des 18. Jahrhunderts, eine angemessene Würdigung: Man hatte um 1970 fast ausschließlich auf die Wiederherstellung des mutmaßlichen Zustands von 1561 fokussiert, wogegen man aus heutiger Sicht zumindest einige der zwischenzeitlich erfolgten Veränderungen in ein Restaurierungskonzept einbeziehen würde.
Bei geschlossenen Flügeln wirkt die Ebert-Orgel mit ihren grauen Flächen fast nüchtern, zumal sie vom Kirchenschiff aus nur teilweise in der Seitenansicht erkennbar ist. Ihre ikonographische Pracht zum Thema „vorbildliches Königtum“ entfaltet sie erst im offenen Zustand – zur genauso königlichen Musik eben. Hemma Kundratitz widmet sich den bildlichen Darstellungen und ihrer nun über hundertjährigen Restaurierungsgeschichte. Dabei lüftet Kundratitz das Geheimnis eines Kuriosums: Die Flucht nach Ägypten erscheint hier nicht ganz logisch dargestellt, da die beiden Flügeltüren des Rückpositivs derzeit vertauscht montiert sind.
Äußerst lesens- und beherzigenswert sind die Ausführungen von Brett Leighton und Johannes Strobl zur Tastenmusik um Paul Hofhaimer sowie von Franz Gratl zur Musikpflege an der Innsbrucker Hofkirche. Erstere gehen verstärkt auf Intavolierungstechniken, Pedalgebrauch und die Alternatim-Praxis ein; Letztere reflektieren die Aufführungssituationen im Raum damals und heute: Musizierte die
kaiserliche Hofkapelle auf dem Brückenchor und sandte die quasi himmlischen Klänge aus dem „Off“, so agieren die Musiker heute meist im Presbyterium, werden jedoch von den Aufbauten des Kaiser-Grabmals verdeckt.
Noch geheimnisvoller als die Ebert-Orgel ist das Instrument in der „Silbernen Kapelle“, die unmittelbar an die Hofkirche angrenzt: Über seine Herkunft, sein Baujahr und seinen Schöpfer ist so gut wie nichts bekannt, es enthält nur noch in Teilen Originalsubstanz und ist schwer zugänglich. Es handelt sich um eine einmanualige Orgel im italienischen Stil, die aus dem 16. Jahrhundert stammt und deren Klangwerk überwiegend aus Holzpfeifen besteht. Ihre Restaurierung durch Hubert Neumann wurde bereits 1952 abgeschlossen – freilich unter den damals gültigen Prämissen der Denkmalpflege: Man ging davon aus, dass viele Teile verbesserungswürdig seien, und ersetzte sie durch Neuanfertigungen.
Die zugehörige Dokumentation folgt dem Schema des ersten Teils zur Ebert-Orgel. Am ausführlichen Befund wirkten neben Reinhard Böllmann Gerardus de Swerts und Pier Paolo Donati mit. Sie stellen ihre Erkenntnisse in einem separaten Text „Organo di legno – Überlegungen zu Typus und Provenienz des Innsbrucker Instruments“ anschließend behutsam in einen größeren Zusammenhang. Auch dieser Band enthält einen Beitrag von Franz Gratl, der die (potenzielle) Musikpraxis zwischen 1560 und 1620 an diesem Ort skizziert.
Die zugehörige Dokumentation folgt dem Schema des ersten Teils zur Ebert-Orgel. Am ausführlichen Befund wirkten neben Reinhard Böllmann Gerardus de Swerts und Pier Paolo Donati mit. Sie stellen ihre Erkenntnisse in einem separaten Text „Organo di legno – Überlegungen zu Typus und Provenienz des Innsbrucker Instruments“ anschließend behutsam in einen größeren Zusammenhang. Auch dieser Band enthält einen Beitrag von Franz Gratl, der die (potenzielle) Musikpraxis zwischen 1560 und 1620 an diesem Ort skizziert.
Beiden Bänden sind sicher verpackte CDs beigegeben. Sie enthalten teilweise historische Aufnahmen der beiden Instrumente mit Interpreten, die sich besonders intensiv mit dem passenden Repertoire beschäftigt haben: etwa Luigi Ferdinando Tagliavini, Harald Vogel oder Peter Waldner. Begrüßenswert ist ferner die Idee, jeweils auch Werke des 21. Jahrhunderts zu integrieren – hier aus dem Planeten-Zyklus von Kurt Estermann [Planetarium Oenipontanum, 9 Stücke für Orgel, 2016], die die Auswahl außerdem erläutert. Die CD-ROM zum organo di legno enthält darüber hinaus Mensurangaben und Pfeifenlisten beider Instrumente; der Ordner „Video“ ließ sich nicht öffnen. – Leider muss einmal mehr ein buchstäblich winziger Wermutstropfen erwähnt werden: die zu klein gedruckten Bildunterschriften und Anmerkungen. Im Übrigen jedoch führt diese Dokumentations-Serie zu Recht das Prädikat „Schatz“: Nur selten bekommen Interessierte so detaillierte Informationen zu wichtigen Orgeln in dieser Qualität – und dazu noch in Wort, Bild und Ton.
Markus Zimmermann