Krzysztof Urbaniak (Hg.)
Die Orgel der Pfarrkirche Olkusz / Organy fary olkuskiej
Hans Hummel und seine Schule / Hans Hummel i jego szkoła (ortus studien 24, om326)
Wenn wir heute das 2018 durch Flentrop Orgelbouw restaurierte Renaissance-Instrument in der gotischen Andreasbasilika zu Olkusz (Woiwodschaft Kleinpolen zwischen Kattowitz und Krakau) bewundern, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass bereits dessen Entstehung mit großen Unwägbarkeiten gespickt war. Dies vermittelt jedenfalls der Hauptbeitrag von Piotr Matoga in der von Krzysztof Urbaniak herausgegebenen Dokumentation Die Orgel der Pfarrkirche Olkusz in lebensnahen Schilderungen: Hans Hummel starb 1630; sein Schüler Jerzy Nitrowski vollendete das mit 31 Registern stattliche Werk. Geldmangel, Streitigkeiten, Baustopps, Naturkatastrophen und Vernachlässigung ziehen sich durch die 400-jährige überaus wechselvolle Geschichte. Umso erstaunlicher ist, dass Erik Winkel und Roos Luescher in ihren detaillierten Restaurierungsberichten – trotz des starken Anobienbefalls vieler Holzteile – noch reichlich Originalsubstanz, darunter ca. 50 Prozent des Pfeifenwerks, konstatieren können. Mit dem Holzwurm hatten insbesondere die Restauratoren des Ateliers MODULUS bei der Konservierung des prächtigen Prospekts zu kämpfen, wie Marein Chmielewski zu berichten weiß.
Pieter van Dijk referiert eine Studienreise zu weiteren teilweise erhaltenen Orgeln aus dem 17. Jahrhundert in Südpolen und der Slowakei; leider wurde zu den Fragmenten des Hummelschen Schwesterwerks in Leutschau kein Zugang gewährt. Noch weiter in die reiche und noch immer viel zu wenig bekannte Orgelkultur Osteuropas greift Krzysztof Urbaniak aus: In mehreren umfangreichen Kapiteln stellt er die Mitglieder der Orgelbauerfamilien Hummel, Nitrowski und Brandtner vor, deren Wirken bis weit ins 18. Jahrhundert hinein in die Gebiete zwischen Danzig und Breslau ausstrahlte. Analysiert werden außerdem Konstruktions- und Bauprinzipien dieser Tradition, so die spezifische Zusammensetzung gemischter Stimmen wie der so genannten polnischen Zimbel. Damit empfiehlt sich diese Dokumentation als über das Restaurierungs- bzw. Rekonstruktionsprojekt von Olkusz weit hinausreichende Studie zum Orgelbau am Übergang von der Renaissance zum Frühbarock in Osteuropa. Ein gut bestückter Anhang enthält Faksimiles und Umschriften zahlreicher Verträge und weiterer Originaldokumente.
Die deutschen Texte sind – in dieser Situation naheliegend – Übersetzungen aus dem Polnischen bzw. Niederländischen. Angesichts der riesigen Menge an Information musste verständlicherweise wohl zumindest partiell auf technische Hilfsmittel zurückgegriffen werden. Obwohl offenbar sorgsam lektoriert wurde, wird in manchen Passagen die grammatische Konstruktion der Ausgangssprache nachgebildet. Die Wiedergabe nahe am originalen Wortlaut lenkt zwar die Aufmerksamkeit zuweilen auf Details, über die man bei einer stärker interpretierenden Textführung womöglich hinweglesen würde, birgt aber gelegentlich die Gefahr von Unklarheiten und Missverständnissen einzelner Begriffe und Wendungen.
Die redaktionellen Beiträge der beiden gewichtigen Bände in Großformat sind komplett und synchron in polnischer und deutscher Sprache abgedruckt – einschließlich der Dispositionen und Anmerkungen. Dieser enorme und bewundernswerte redaktionelle Aufwand erlaubt einerseits, Fachbegriffe in der jeweils anderen Sprache zu studieren, führt jedoch andererseits zu einer gewissen Unhandlichkeit. Zu Letzterer tragen auch einige Grafiken und Tabellen in der Beschreibung des Pfeifenwerks bei, die sich leider nicht alle unmittelbar erschließen. Es sei daher angeregt, polyglotte Dokumentationen mit diesem Anspruch und in ähnlichem Umfang den Sprachen nach zu teilen und manche orgelbautechnisch wichtige, jedoch drucktechnisch raumgreifende Darstellung in einem elektronischen Medium vorzuhalten. Eine solche Editionspraxis würde gewiss einen größeren Leserkreis in der jeweiligen Landessprache erreichen. Dies ist dem vorliegenden Werk allemal zu wünschen, zumal die üppige Illustration und die gediegene Herstellung es als grundlegende Fachpublikation auszeichnen.
Markus Zimmermann