Werke von J. S. Bach, C. Ph. E. Bach, T. I. Pachaly, F. W. Markull und Mendelssohn

Die Johann-Ernst-Hähnel-Orgel in Krippehna

Krzysztof Urbaniak, Orgel

Verlag/Label: querstand VKJK 1911 (2019)
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2019/04 , Seite 62

Bewertung: 5 von 5 Pfeifen

Mit dieser CD präsentiert das Label querstand erneut ein aus dem Dornröschenschlaf erwecktes Klein­od der mitteldeutschen Orgellandschaft. Ein typisches Beispiel für die Tatsache, dass Geldknappheit und Materialmangel in der DDR der beste Denkmalpfleger waren und auch diese kleine Orgel damit den Wechsel der Zeiten überstand und nun, nach vollendeter mustergültiger Restaurierung durch die Orgelbauwerkstatt Kristian Wegscheider, wieder in alter Pracht erstrahlt.
Vielleicht wird sich der eine oder andere Orgelfreund fragen, wer denn eigentlich Johann Ernst Hähnel war. Diese Frage besitzt durchaus eine gewisse Berechtigung, denn Hähnel gehörte zu jener Orgelbauergene­ration in Sachsen, die trotz hochwertiger Qualitätsarbeit absolut im Schatten von Maestro Gottfried Silbermann stand. Hähnel betätigte sich außerdem recht erfolgreich als Klavierbauer und schuf das „Cymbal royal“.
Der polnische Organist Krzysztof Urbaniak legt mit dieser Scheibe eine vorzügliche Präsentation der Hähnel-Orgel (1771) vor, wobei sich beim ersten Blick auf das eingespielte Repertoire eine gewisse Skepsis einstellt. Wie kann es sich ausgehen – so hat sich auch der Rezensent gefragt –, wenn auf dieser einmanualigen Orgel mit nur 14 Stimmen einige Präludien und Fugen aus dem 2. Teil des Wohltemperierten Klaviers, die Fantasia BWV 571, das „Kleine harmonische Labyrinth“ BWV 591 oder gar die Passacaglia BWV 582 und Kompositionen von Traugott Immanuel Pachaly (Fuge über B-A-C-H), Friedrich Wilhelm Markull sowie Virtuoses von Felix Mendelssohn Bartholdy (Allegro d-Moll) eingespielt wurden? Nun, es geht sich sehr wohl aus, denn zum einen fasziniert die Disposition Hähnels mit einer sehr eigenständigen, keineswegs nur an Silbermann orientierten Konzep­tion, die so erlesene Stimmen wie Quinta Viola (eine eng mensurierte Quintadena), Undamaris oder Flaute Major und Minor einbezieht, eine Stimmungsart besitzt, die alle Tonarten abdeckt und damit ganz dem Rokoko frönt.
Dazu kommt zum anderen Urbaniaks wohldurchdachte und absolut den Ansprüchen der historischen Aufführungspraxis genügende Interpretation, so dass bereits beim ersten Hineinhören sehr schnell exis­tierende Zweifel ausgeräumt werden. Urbaniak wartet mit delikaten Registermischungen auf, widmet sich den wunderschönen Flötenstimmen und kommt während der gesamten Passacaglia mit dem Principal 8’ aus. Erst bei der Fuge greift er zum Organo pleno. Er artikuliert alle Stücke in einer sehr noblen Art und Weise, stets auf gleichmäßiges Atmen der Windanlage bedacht und immer der hall­armen Akustik der kleinen Dorfkirche angemessen. Mit einer insgesamt zwölfminütigen Re­gistervorführung erstellt er am Ende der CD ein umfassendes klangliches Porträt der Orgel.
Im Booklet findet man in knappen, konzentrierten Beiträgen alle interessanten Fakten und Details zur Orgel, zu den Stücken und zum Interpreten. Auf eine Liste der verwendeten Registrierungen hat man verzichtet, was sicherlich der geringen Größe der Hähnel-Orgel geschuldet ist. 

Felix Friedrich