Die Bachorgel in der Dreieinigkeitskirche Regensburg

hg. vom Bachorgel Regensburg – Förderverein e. V.

Verlag/Label: Schnell & Steiner, Regensburg 2020, 128 Seiten, 18 Euro
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2022/01 , Seite 56

Beide Titel sind weit mehr als Festschriften zu Orgelweihen mit lokaler Bedeutung. In der stattlichen neubarocken Margaretenkirche im Münchener Süden wurde nach einem halben Jahrhundert der Improvisation im Kern jene Orgel wiedergewonnen, die Albert Moser und Leopold Nenninger 1915 mit wegweisenden Ansätzen beginnender Orgelreformen geschaffen hatten. Die nunmehr durch Johannes Klais Orgelbau und die in Eichenau bei München ansässige Werkstatt Chris­toph und Matthias Kaps abgeschlossene Sanierung zieht gleichsam die Quintessenz aus der wechselvollen Geschichte des großen In­struments: Trotz erheblicher Kriegsverluste und Umbauten zählen dazu rund 50 Prozent Klangsubstanz von 1915 sowie sämtliche brauchbaren und stimmig integrierbaren Teile späterer Baustufen; das ganze Ensemble wurde „aufgeräumt“ und behutsam um zum Teil längst vorgesehene Desiderata erweitert. Das Ergebnis ist ein symphonisches, gut verschmelzendes Klangbild, das sich in der großzügigen, aber nicht verschwommenen Akustik prächtig entwickelt.
Die Publikation (Bezug: orgelteam@kirchenmusik-stmargaret.de) vermittelt sowohl technische als auch orgelbaugeschichtliche Details, basiert auf intensiven Recherchen und ist mit zahlreichen Original­dokumenten in Text und Bild versehen. Leider erleichtert die ambitionierte grafische Gestaltung nicht immer die Orientierung und vermittelt eine gewisse Unruhe – im Gegensatz zum monumentalen, großflächig gegliederten 32’-Prospekt, neben dem der Domorgel der einzige in München.

In Umfang, inhaltlicher Qualität und überregionaler Bedeutung vergleichbar ist die klar strukturierte Dokumentation zur Entstehung der sogenannten Bachorgel in der Regensburger Dreieinigkeitskirche. Hier bestand die Aufgabe für Orgelbaumeister Hendrik Ahrend und seine Mitarbeiter darin, in bzw. hinter das breit ausladende barocke Gehäuse eine dreimanualige Orgel zu komponieren, die vor allem den Anforderungen an ein umfassend informiertes, in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts und in süddeutsche Sphären weisendes Bach-Spiel gerecht wird.
In seinem Hauptbeitrag legt Chris­toph Reinhold Morath dar, wie und weshalb sich auch und gerade aus der süddeutschen Orgeltradition ein schlüssiges Konzept für eine Bach-Orgel entwickeln ließ. Er weist dabei auf verblüffende Parallelen zu jenen Instrumenten hin, die Franz Jacob Späth für die Oswaldkirche (1750) bzw. für die Dreieinigkeitskirche (1758) gebaut hatte – etwa ein dynamisch variables Echo. Ziel war eine Orgel, auf der man nicht nur „rückwärts gewandte Musik“ spielen kann, so der auf Pfeifenbau und Intonation äußerst bedachte Hendrik Ahrend in seinem Text; vielmehr sollten Optionen aufgetan werden, die Musik der Bach-Zeit etwa auch im Klangempfinden von Rokoko oder Frühromantik zu denken und zu interpretieren.

Beide Veröffentlichungen dokumentieren spannende Gedankenexpe­rimente der Orgelplanung. Daher lohnen sich die intensive Lektüre sowie vor allem die Reflexion im Verbindung mit den klanglichen Ergebnissen an beiden Instrumenten.

Markus Zimmermann