Werke von Garthoff, Vetter, Pestel, Umblaufft, Witt, Werckmeister, Pezold

Das Schneeberger Orgel- und Clavierbuch um 1705

Enrico Langer an der Renkewitz-Orgel im Schloss Augustusburg

Verlag/Label: Querstand VKJK1801 (2019)
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2019/02 , Seite 59

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Aus dem Besitz des Universitätsdozenten C. F. Michaelis († 1834) und des Organisten C. F. Becker (1804–77) gelangten 1856 durch Ankauf eine Reihe von Musikalien in die Obhut der Leipziger Stadtbibliothek, darunter das berühmte Andreas-Bach-Buch und eine Sammelhandschrift, die erst 2002 durch Wolfgang Eckhardt als Schneeberger Orgel- und Clavierbuch identifiziert werden konnte.
Die Eintragungen von 27 Orgelwerken auf den Seiten 1–43 stammen von der Hand des in Schneeberg (südöstlich von Zwickau, Erzgebirge) wirkenden Kantors und Organisten Christian Umblaufft (1673–1757), der immerhin mit einem kurzen Eintrag in Matthesons Ehrenpforte (Hamburg 1740) verzeichnet ist. Umblaufft hatte in Leipzig als Thomaner seine musikalische Ausbildung von Johann Schelle und insbesondere von Johann Kuhnau erhalten. In seinem Clavierbuch versammelt er, nach Landessitte auf eine gewisse Kürze festgelegt, Gebrauchsliteratur eigener Erfindung ebenso wie aus der Feder zeitgenössischer, zum Teil kaum bekannter Berufskollegen na­­mens David Heinrich Garthoff, Nikolaus Vetter, Gottfried Ernst Pestel (Bestel), Christian Friedrich Witt, Andreas Werckmeister und Christian Pezold. Kürze bedeutet in keinem Fall qualitative Minderung, vielmehr ist Gediegenheit in den figurativen, fugierenden, variativen und ostinatobezogenen Gattungen Praeludium, Fuga, Canzon und Ciaccona (hier sollte die dreimalige unsinnige Quellenlesart „Caiccona“ wirklich nicht toleriert werden) durchweg präsent.
Die Wahl des Instruments ist ein Glücksgriff. Georg Renkewitz, Organist, Orgelbauer und Uhrmacher, konnte zwar vom Auftrag 1714 bis zu seinem Tode 1758 die Orgel nicht komplett fertigstellen, aber am Ende nicht weniger als 12 + 3 Register (Man., Ped.; 6 Achtfüße) zu einem ebenso klangvollen wie zeichnenden Medium in der Kirche von Schloss Augustusburg (nahe Chemnitz) vorbereiten, wo die Orgel über dem Altar in höchster ­Höhe nach Landes- und Schloss­kirchenart wie in Weimar, Schmalkalden usw. prangt.
Selbst der 1976 geborene Interpret Enrico Langer stammt aus der Region Erzgebirge. Angenehm seine gewählten Tempi, farbigen Regis­trierungen und auch eine gewisse kantable Leichtigkeit des Seins in seinem Spiel. Kaum nachgezeichnet werden allerdings die häufigen kleinphrasigen Elemente der Tonsätze, stattdessen dominiert ein großbögig, homogen und flächig angelegter Vortrag. Gerade der Suite – stilisierte Tanzmusik, originär für Cem­balo – in ihrer unterschiedlichen Charakteristik der Sätze stünde eine deutliche Profilierung der spezifischen Parameter besser zu Gesicht als organistische Breite.
Leider kein Wort zu einer Edi­tion des Schneeberger-Repertoires, wo sich doch erkennen lässt, dass diese Quelle nicht nur für die Orgelmusikgeschichte Sachsens unverzichtbar ist, sondern auch akzeptable Literatur enthält.
Klaus Beckmann