Ksenia Bönig
Das große Buch der Orgel
hg. vom Bund Deutscher Orgelbaumeister e. V. (BDO)
Allüberall wird von Nachwuchsmangel gesprochen – in Vereinen, im Handwerk, im Gesundheitswesen und natürlich auch bei Organisten und Orgelbauern. Ein Geheimrezept, wie man an Menschen herankommt und sie begeistern kann, gibt es nicht. Persönliche Ansprache und Zuwendung sind aber sicher gute Türöffner, die zu positiven Erfahrungen und weiterem Interesse führen können.
Der direkte Zugang zu Orgeln ist oft nicht so einfach, gelegentlich verschlossen. Wenn es einem Kind mit seinen Eltern gelingt, bis zur Orgelbank vorzudringen, dann ist schon viel geschafft. Wenn zufällig noch ein netter und zugewandter Organist oder eine ebensolche Organistin zugegen ist, kann das Abenteuer Orgel beginnen. – Für alle anderen Kinder kann das wunderbare Bilderbuch von Ksenia Bönig eine erste gute Hilfestellung im heimischen Kinderzimmer geben, sich der Orgel zu nähern.
Bönig gestaltet die erste Begegnung mit der Orgel für die Kinder in klaren und einfachen Worten und lässt sich dabei von der Figur des Winni Brillig (eine Ähnlichkeit mit ihrem Mann, dem Kölner Domorganisten Winfried Bönig, ist sicher rein zufällig) helfen, der durch das Bilderbuch führt. Brillig ist Organist, trägt eine Fliege und einen Frack und hat eine wirre Künstlerfrisur. Winni spielt, wie er sagt, auf dem „tollsten Instrument der Welt“. Anders als andere Musiker bringt er sein Instrument zum Konzert allerdings nicht mit, sondern die Orgel bleibt in ihrer Residenz und gewährt dem Organisten eine Audienz – so machen das Königinnen.
Jede Orgel ist einzigartig, es gibt keine zwei gleichen Orgeln auf der Welt. So ist jede Begegnung für Winni immer wieder von neuem spannend. Orgeln können sehr unterschiedlich sein und an sehr unterschiedlichen Orten stehen. Allen gemeinsam aber sind, so Winnie, „die Pfeifen, eine Anlage, die die Luft in die Pfeifen blasen wird, und ein Platz für den Organisten, von wo aus er alles steuern kann“.
Winnie erklärt, wie eine Orgel aussieht, wie sie klingt, wie man auf ihr spielt und wie sie entworfen und gebaut wird. In der Mitte des Buches ist man auf einer großen ausklappbaren Doppelseite sogar in einer Orgelbauwerkstatt mit ihren zahlreichen Abteilungen zu Gast:
z. B. dem Holzlager, wo das Holz mindestens zehn Jahre getrocknet werden muss, dem Maschinensaal, wo das Holz zugeschnitten und bearbeitet wird, in den Werkstätten für Holz- und Metallpfeifen, im Lederlager und der Verwaltung.
Die farbigen Zeichnungen zeigen, was man über Orgeln unbedingt wissen muss. Dabei stilisiert Bönig gelegentlich, um Dinge klar verständlich zu machen. Ihre Orgelzeichnungen von der Kölner Domorgel, der „Bares“-Orgel in der Kunst-Station Sankt Peter Köln und der Schmid-Orgel mit ihren bunten und schiefen Pfeifen in St. Elisabeth, Augsburg, zeigen die äußere Vielfalt des Instruments.
Auch wenn die kleinen Leserinnen und Leser noch lange brauchen werden, bis ihre Füße an die Pedaltasten heranreichen und sie selbst Orgel spielen können, so werden sie diese erste Begegnung mit der Orgel nicht vergessen! Das Buch ist auch in Englisch, Französisch, Chinesisch, Japanisch, Koreanisch, Norwegisch und Schwedisch erhältlich.
Ralf-Thomas Lindner