Benedetto Marcello
Complete Sonatas for Organ and Harpsichord
Chiara Minali an den Orgeln von S. Maria Assunta und S. Pietro Apostolo (Italien), Laura Farabollini am Cembalo
1 von 5 Pfeifen
Der Musiker und Staatsmann Benedetto Marcello (1686–1739) zählt auch heute noch zu den bekannteren musikalischen Meistern Italiens aus dem frühen 18. Jahrhundert. Einer Familie der venezianischen Nobilitá entstammend, begann er früh, sich in Malerei, Dichtkunst und Musik zu bilden. Nach einem Studium der Jurisprudenz trat er in den Dienst der Republik Venedig und wurde 1711 in den einflussreichen „Rat der Vierzig“ berufen. 1730 residierte Marcello als Gouverneur in Pola (Istrien), 1738 schickte man ihn als „Camerlengo“ (Schatzmeister) nach Brescia, wo er schon im Jahr darauf verstarb.
Trotz seiner öffentlichen Ämter betätigte sich Marcello extensiv als Komponist, wovon eine beträchtliche Anzahl von Werken aller Gattungen zeugt. 1711 wurde er in die Accademia Filharmonica in Bologna aufgenommen, für die er in der Folge mehrere geistliche Werke verfasste. Berühmt wurde Marcello zu Lebzeiten aufgrund seiner Sammlung Estro poetico-armonico, einer Kompilation von Vokalwerken über die fünfzig ersten Psalmen in der italienischen Übersetzung von Girolamo Ascanio Giustiniani. Sein gesamtes Œuvre für Tasteninstrumente liegt nun in einer drei CDs umfassenden Einspielung durch die Organistin Chiara Minali und die Cembalistin Laura Farabollini vor.
Überwiegend handelt es sich hierbei um ein- bis fünfsätzige Sonaten, die in ihrer meist zweiteiligen Form den Gepflogenheiten der Zeit entsprechen; Domenico Scarlatti scheint dem Venezianer nicht unbekannt gewesen zu sein, jedoch erreicht seine thematische Formulierungskunst dessen Qualität nicht ganz. Die beiden Interpretinnen haben sich die Sonaten in etwa hälftig aufgeteilt, und so spielt Chiara Minali an der 1812 von Gio’Batta Sona erbauten Orgel in San Pietro in Cattedra in Valeggio sul Mincio (Provinz Verona), einem nachgerade monumentalen Werk dieser Zeit mit 49 klingenden Registern. Die Orgel wurde 1998 bis 2000 von der Werkstatt Formentelli restauriert. Trotz der – nicht enttäuschten – Vorfreude auf die vermuteten besonders aparten und farbigen Klänge dieses Instruments stellt sich nach kurzer Zeit Unbehagen ein: Die Orgel klingt einfach stilistisch zu „spät“, mondän und raffiniert für die Musik Marcellos, der ein Instrument aus dem 18. Jahrhundert doch angemessener schiene. Dazu kommt, dass Chiara Minali zwar sympathisch musikantisch zu Werke geht, auf Dauer aber viel zu wenig artikuliert und der Musik hierdurch so einige „Zähne zieht“, manche Registrierung zu bunt und stilistisch unpassend daherkommt.
Was nun den Cembalo-Part der Einspielung betrifft, kann man leider keineswegs von einer professionellen Arbeit sprechen! Dem Instrument wurde mit den Mikrofonen in unangenehmster Weise „auf den Leib“ gerückt, so dass neben deutlichen Mechanikgeräuschen am Ende kaum mehr als schriller Klang zu hören ist; verheerend zudem, dass das Cembalo durchwegs komplett verstimmt ist! Unter diesen Umständen kann man die Leistung der Cembalistin Laura Farabollini kaum würdigen sowie die vorliegende Einspielung insgesamt nicht weiterempfehlen.
Christian Brembeck