Giovanni Benedetto Platti

Complete Music for Harpsichord and Organ

Stefano Molardi am Cembalo, Clavichord und an der Giuseppe Bonatti-Orgel im Heiligtum der Beata Vergine in Valverde, Rezzato (Brescia, Italien)

Verlag/Label: 3 CDs, Brilliant 95518 (2018)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2018/04

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Platti? Was war das doch noch – Hausmusik uralten Stils, in unsäglichen sogenannten „Pionier“-Ausgaben? Das könnte man wohl denken, wenn der Name des Komponisten Giovanni Benedetto Platti (1697–1763) fällt. Wie es immer so ist mit musikalischen Meistern aus Übergangszeiten von einem Stil in den nächsten. Nicht unbedingt der „ersten Reihe“ zugeordnet, hat auch Platti eine – unverdient staubige – Schublade in der musikalischen Rezeptionsgeschichte mindestens der letzten 150 Jahre gefunden.
Stefano Molardi, verdienter italienischer Organist, Cembalist und Ensembleleiter, räumt in seiner Gesamteinspielung der überlieferten Clavier-Werke Plattis mit diesen Plattitüden gehörig auf! 18 Sonaten für Clavier hinterließ der Meis­ter, teils in gedruckter, teils in Manuskriptform. Seine Opera I und IV aus den Jahren 1742 bzw. 1746 weisen den italienischen Meister als völlig auf der – galanten – Höhe seiner Zeit aus. Platti scheint in Venedig unter anderem bei Gasparini und Legrenzi studiert zu haben. Dass er – wie viele seiner versierten Zeitgenossen – auf mancherlei instrumentalen Gebieten firm war, mag wohl seine – erfolgreiche – Bewerbung an den glanzvollen Hof des Würzburger Fürstbischofs Philipp Franz von Schönborn entscheidend befördert haben. Dort wirkte er als Oboist, später auch Violinist und Sänger.
Platti scheint noch in Italien neue Entwicklungen im Instrumentenbau erlebt zu haben, denn der Fürstbischof war nachweislich ein besonderer Liebhaber neuartiger Clavier-Instrumente. Umso bedauerlicher, dass Stefano Molardi kein entsprechendes Fortepiano aus dieser Epoche wenigstens für einige besonders geeignete Sonaten ausgewählt hat.
Plattis Musik ist gespeist von einer umfassenden italienischen Stilistik, die sich gerne auch auf Vorbilder bei Corelli, Händel, Galuppi und Marcello bezieht. Seine Ausdrucksskala geht aber unmerklich über das von seinen Zeitgenossen Gewohnte hinaus, seine teils extreme Klangrede ist gar der von C. P. E. Bach nicht unähnlich. Überhaupt deutet sich bei ihm der galante Stil der kommenden Ära an …
Molardi spielt einige der Sonaten auf einer sehr fein klingenden italienischen Orgel von Giuseppe Bonatti (1713) in Rezzato, den größeren Teil der Werke auf einem recht interessanten Cembalo nach italienischer Bauart mit zwei Achtfuß- und einem Vierfuß-Register. Aufgrund des vorwiegenden Einsatzes dieses dem 17. Jahrhundert entlehnten Instruments mit eher sprechendem als singendem Charakter ergibt sich dann allerdings da und dort eine gewisse klangliche Sättigung, die auch Molardis zupackendes Spiel nicht ganz vergessen machen lässt. Interessant klingt ein zusätzlich in einigen wenigen Sonaten verwendetes gebundenes Clavichord deutscher Bauart.
Zweifelsohne ist diese aufwändig sich auf drei CDs erstreckende Gesamtaufnahme von Giovanni Bene­detto Plattis überliefertem Clavier-Werk eine echte Ehrenrettung für einen bis dato zu Unrecht verkannten Meister – bleibt zu wünschen, dass sich Musiker und Musikhörer wieder mehr mit dieser vitalen Mu­sik beschäftigen mögen!

Christian Brembeck