William Byrd

Complete Fantasies for Organ

Jangoo Chapkhana an der St. Teilo-Orgel der University Birmingham (UK)

Verlag/Label: Brilliant Classics 97558 (2025)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2025/02 , Seite 58

Bewertung: 4 von 5 Pfeifen

„Aber wie viele dieser Stücke hat William Byrd speziell für die Orgel geschrieben?”, lautet eine Frage auf YouTube zur CD Organ Works von Byrd (Brilliant Classics 97125).
Obwohl es einige liturgische und semi-liturgische Sätze von William Byrd (1543–1623) gibt, hat man es sich bei unserer Aufnahme (97558) einfach gemacht, das Verzeichnis der Musica Britannica (1969/71) bemüht und die Fantasias wegen ihres motettischen Charakters zur Orgelmusik deklariert.
Ein Teil der Fantasias bzw. Fancies finden sich im Ladye Nevells Booke (um 1591). Zu dieser Zeit saßen englische Damen wie Lady Nevell nicht an der Orgel: Sie spielten Virginal. Ausgiebig ist Byrd im legendären Fitzwilliam Virginal Book vertreten, allerdings mit nur zwei lateinischen Titeln, dafür aber mit vier Fantasias und mit der Fantasia über Ut-re-mi-fa-so-la, die wir von 1591 kennen, nun aber direkt gefolgt von einer Fantasia über Ut-mi-re, verbunden mit der Bemerkung „Perge“ (= weitermachen) – primär keine Orgelmusik, wenn sich die Stücke auch gut auf einer Orgel darstellen lassen; vielleicht vergleichbar mit den Fugen aus BWV 876 und 878.
Wenig Orgel – viel Virginal: Byrds Wirken fällt in eine Zeit, in der kontrapunktische Stücke (Fantasia, Fancie, Voluntary), die kunstvolle Bearbeitung präexistenter Kompositionen und besonders die Tänze die neuen Verwirklichungsfelder der Organisten, besser Virginalisten, wurden. Obwohl William Byrd die traditionelle Organistenschule durchlaufen hat, ist er, anders als die im Mulliner Book vertreten Komponisten, kein typischer Tudor-Organist. Stücke wie die Fantasias wären im puritanischen Lincoln, wo Byrd neun Jahre als Kathedralorganist wirkte, nicht gestattet gewesen.
„Complete Fantasies for Organ“ trifft nicht ganz zu – das Besondere dieser CD liegt weniger in der Werkauswahl als vielmehr im Instrument. Im Byrd-Gedenkjahr 2023 wurde in der Lincoln Cathedral zeitweilig die St. Teilo-Orgel aufgestellt, die moderne Replik einer Tudor-Orgel, die fast schon den Rang eines nationalen Kulturdenkmals hat. Warum aber eine Replik? Alte Kirchenorgeln gibt es in England nicht mehr. Politischer Wahn und religiöser Eifer haben kaum etwas übriggelassen: „’s ist Fluch der Zeit, dass Tolle Blinde führen!“ (Shakespeare, 1608)
Fazit: Eine beachtenswerte Tudor-Orgel-Replik (Renaissance-Or­gel) und ein engagiert gespieltes Tasten-Repertoire mit sensibler Linienführung.

Johannes Ring

Page Reader Press Enter to Read Page Content Out Loud Press Enter to Pause or Restart Reading Page Content Out Loud Press Enter to Stop Reading Page Content Out Loud Screen Reader Support