Carl Loewe und die Orgel

Irénée Peyrot an der Rühlmann-Orgel der Stadtkirche St. Petri zu Löbejün

Verlag/Label: Querstand VKJK 2013 (2021)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2021/02 , Seite 59

Angesichts des gesättigten CD-Markts sind die Verlage oft auf Suche nach interessanten Nischenprodukten abseits des immer wieder abgebildeten Standard-Repertoires. Auf der Suche nach Neuem fiel die Wahl des Labels Querstand auf den in Löbejün geborenen und allseits bekannten Balladenschöpfer Carl Loewe (1796–1869), der – entgegen aller Vermutungen – einen doch recht intensiven Kontakt mit der Orgel pflegte. Die CD rückt Stü­cke in den Blickpunkt, die ansonsten weiterhin im Dornröschen­schlaf gefangen gewesen wären. Zu loben ist auch Irénée Peyrot, der mit seiner Aufnahme – die er übrigens an
einem einzigen Tag eingespielt hat (sic!) – einen Überblick über Carl Loewes Orgelschaffen vermittelt, wobei es keine eine einfache Aufgabe darstellt, die adä­quate Orgel dafür zu finden. Auf jeden Fall besitzt die Orgel der Stadtkirche in Loewes Geburtsort eine gewisse Berechtigung: Dort wurde er getauft und erhielt sicherlich seinen ersten Orgelunterricht.
Die für die Aufnahmen ausgewählte Löbejüner Rühlmann-Orgel (1901/II/P/22) nimmt sich recht apart aus, obwohl sie erst 32 Jahre nach Loewes Tod entstand. Die entscheidende Prägung erhielt der Balladenkomponist allerdings durch zwei herausragende, leider nicht mehr existierende Orgeln früh- bzw. hochbarocken Charakters, nämlich von David Beck (1591) in Löbejün und von Arp Schnitger (1700) an seiner langjährigen Wirkungsstätte in St. Jacobi in Stettin. Trotzdem hören sich alle eingespielten Stücke auf der Rühlmann-Orgel sehr angenehm und überzeugend an. Das betrifft besonders die vom Interpreten transkribierten Balladen und Lieder sowie die Szenen aus Loewes Oratorien. Bei diesen Stücken wären der Wiedergabe auf einer Barockorgel sicherlich enge Grenzen gesetzt gewesen.
Der eine oder andere Hörer wird die CD vielleicht mit einer gewissen Skepsis zum ersten Male auf­legen, zumal die Loeweschen Balladen ein oft gehörtes Repertoire bilden. Doch es gibt keine Enttäuschung. Irénée Peyrots Arrangements und vor allem sein intuitives Spiel überzeugen rundum, so dass es eine Freude ist, Die Uhr oder Tom der Reimer auf der Orgel mit der auf ein separates Manual übertragenen Singstimme zu hören, ganz abge­sehen von den opulent daherkommenden Stücken aus den Oratorien Das Sühneopfer des neuen Bundes (ca. 1847) oder den Festzeiten op. 66 (1842). Dagegen nehmen sich die original für Orgel komponierten Choralvorspiele aus dem reichhaltigen Fundus des Musikalischem Got­tes­dienstes fast etwas einfach, aber dennoch sehr inspiriert aus.
Peyrots Spiel fasziniert durch lebendigen Gestus, durch ein den Stü­cken angemessenes schlichtes Stilempfinden und fein ausgewählte Registrierungen. Das mit vorzüg­lichen Fotos versehene und ansprechend gestaltete Booklet liefert sämtliche wünschenswerten Daten, Inhalte und Hintergründe, so dass man diese Produktion mit bestem Gewissen sehr empfehlen kann.

Felix Friedrich