Gustav A. Krieg

Cantus-firmus-Improvisation auf der Orgel

System – Methode – Modelle 3., revidierte Auflage

Verlag/Label: Dohr, Köln 2018, 346 Seiten, 34,80 Euro
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2019/03 , Seite 52
„Ich dachte, diese Kunst wäre gestorben, ich sehe aber, daß sie in Ihnen noch lebet.“ Bei der Lektüre des vorliegenden buches über Improvisation fühlt man sich unweigerlich an dieses berühmte Kompliment Johann Adam Rein­ckens an Bach erinnert. Gustav A. Krieg entfaltet mit diesem Werk „eines an der Theorie interessierten Praktikers“ mannigfaltige Möglichkeiten, mit einem traditionellen cantus firmus improvisatorisch umzugehen.
In einem theoretischen Teil bringt er dazu zunächst Überlegungen zum schöpferischen Umgang mit Modellen aus kompositorischen Vorbildern, zur Stellung der Improvisation zwischen Kultus und Konzert und schließlich zu Fragen des Improvisationsunterrichts. Gerade Letzteres zeigt den enormen Erfahrungsschatz Kriegs als Lehrer eines Fachs, dass „es ja selbst in sich hat, Frustrationserlebnisse vermitteln zu können“, und seine Fähigkeit, Hilfestellungen zu Problemen sowohl fachlicher als auch pädagogischer Art zu bieten.
Der anschließende praktische Teil nimmt verschiedene Epochen in den Blick: Barock, Romantik, sowie diejenige „zwischen Tonalität und Atonalität“. Dabei geht es zunächst um einleitende Übungen, sodann um die Entwicklung von Bausteinen in der jeweiligen musikalischen Sprache und schließlich um deren Zusammenfügen zu größeren Formen wie Partita und Choralfantasie, aber auch zu originellen Gebilden wie Choral-Suite mit diversen Tanzformen und Choral-Concerto.
Besonders der – umfangreichste –  Teil zum Barock präsentiert eine Fülle von Elementen und enthält wertvolle Tipps zur Erarbeitung derselben mit entsprechenden Liedvorschlägen, wozu in dieser Ausgabe die Nummern des neuen Gotteslob aktualisiert worden sind. Dabei ist Krieg stets bemüht, eine Begründung für sein Tun zu liefern und auf mögliche Einwände und Alternativen einzugehen. Dies erschwert das Lesen mitunter etwas, beleuchtet aber das Themengebiet sinnvoll aus verschiedenen Perspektiven. Besonders hervorzuheben ist die didaktisch folgerichtig angelegte Stringenz des Vorgehens. Hier kann der Autor auf jahrzehntelange Erfahrungen sowohl als Improvisator als auch im Unterrichten unterschiedlichster Schüler-Typen und seine kritische Reflexion dazu aufbauen.
Somit handelt es sich bei diesem von Krieg selbst mehrfach als „Lehrbuch“ bezeichneten Werk zum einen um eine Hilfe zum Selbststudium für alle ambitioniert an Improvi­sation Interessierten, zum anderen um eine wertvolle und umfassende Handreichung für den Improvisa­tionsunterricht, die unbedingt zu empfehlen ist.
Christoph Kuhlmann