Naji Hakim

Bogurodzica

Carmen patrium für Orgel

Verlag/Label: Schott Music, ED 23110
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2021/03 , Seite 58

Bogurodzica („Gottesgebärerin“) ist das älteste polnische Lied, das dem Heiligen Adalbert von Prag (955– 997) zugeschrieben und zu Beginn des 15. Jahrhunderts notiert wurde. Dieses Thema hat seitdem mehr­fache musikalische Verwendung gefunden – so z. B. in Krzysztof Meyers „polnischer“ 6. Sinfonie von 1982, in der es in einer das damalige Kriegsrecht evozierenden Atmosphäre erscheint.
Naji Hakim legt hier nun ein kurzes, zweieinhalb Minuten dauerndes Orgelwerk vor, in dem er das sonst gerne in langen Werten mächtig deklamierte Bogurodzica-Thema in eine im wesentlichen ruhig dahinfließende, mit Durchgangsnoten versehene arabeskenartige Cantilène gießt. Die sparsame Satzweise in zurückhaltend-klassischer Harmonik mit einem quasi colorierten cantus firmus über einer zweistimmigen Begleitung und Pedal steht dabei in merkwürdigem Widerspruch zu Ha­kims eigener Beschreibung des „majestätischen Charakters des Orgelstücks“. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die durchgängige Registrierung „von der Grand-Orgue der Basilika Sacré-Cœur in Paris“ inspiriert ist und das Tutti der Orgel vorschreibt (Solostimme auf dem Hauptwerk, Begleitung auf dem Schwellwerk, Pedal mit Grundstimmen und Koppel zum Schwellwerk) – es stellen sich Irritationen bezüglich eines Missverhältnisses zwischen der musikalischen Form, der instrumentalen Umsetzung und der erklärten kompositorischen Ab­sicht ein.

Christoph Kuhlmann