Franz Liszt
Bénédiction de Dieu dans la Solitude
Klavierwerke in Orgelfassungen
Christoph Kuhlmann an der Steinmeyer-Orgel der Ss. Corpus Christi-Kirche Berlin
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Franz Liszt gilt fraglos als einer der größten Klaviervirtuosen des 19. Jahrhunderts, berühmt in ganz Europa, gefeierter Gast in vielen Konzertsälen und Salons, obgleich seine Karriere als Starpianist gar nicht so lange währte: Er selbst gab sie schon im Alter von 36 Jahren zugunsten des Komponierens auf. Sein Œuvre für das Klavier ist und bleibt ein Meilenstein der Musikgeschichte. – Und die Orgel? Auch sie spielte für den Interpreten und Komponisten Liszt eine bedeutende Rolle, weshalb es naheliegt, seine Klaviermusik für die Orgel zu transkribieren – angesichts seines doch eher schmalen Original-Repertoires für die Orgel.
Christoph Kuhlmann trifft für sein CD-Programm eine dramaturgisch klug angelegte Auswahl höchst unterschiedlicher, auf der Orgel durch und durch überzeugend wirkender Stücke: Vallée d’Obermann und Sposalizio etwa. Oder vier der Consolations und das wenig geläufige Angelus!-Gebet in einer Transkription von Fritz Volbach. Musik, deren Stimmung zwischen schwerer Düsternis (hier vor allem Il Penseroso), sich machtvoll entwickelnder Ekstase (Vallée d’Obermann ) bis hin zu entrückter Verklärtheit changiert – in jedem Augenblick emotional fesselnd und von geradezu soghafter Wirkung. Die Orgel lässt das Klavier (mit seiner ja äußerst sensibel gestaltbaren Dynamik) nirgends vermissen, auch nicht in den pianistisch angelegten Harmonies du soir.
Gipfel ist die Bénédiction de Dieu dans la solitude, mit fast 20 Minuten Spielzeit das umfangreichste Stück dieses CD-Programms – schon fast eine sinfonische Dichtung über die Gedanken und Gefühle eines suchenden Individuums, das seine geradezu mystische Erfüllung in der Natur und im Einssein mit deren Schöpfer findet. Inspiriert durch das gleichnamige Gedicht von Alphonse de Lamartine, liefert Liszt eine Fülle von Klangbildern, von grüblerischem Zweifel über friedlich-idyllische Naturbilder bis hin zu sphärischer Himmelsmusik mit Flöten- und Harfenspiel reichend.
Christoph Kuhlmanns Ausdeutung erschließt die ganze Tiefe und Dichte dieser Lebenserfahrungen, bald schwärmerisch, bald sehnsuchtsvoll. Neben der glanzvollen spieltechnischen Leistung des Kölner Organisten und seiner ausgeprägten Kunst der „Instrumentation“ ist es die 1925 erbaute Steinmeyer-Orgel (66 Register, 4 Transmissionen/III+P) in der im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg gelegenen Kirche Ss. Corpus Christi, die ein atemberaubendes Klangpotenzial offenbart: raumgreifende Flöten, charakteristische Streicher, eine überaus reiche Palette an Zungen, ein kerniges, rundes Tutti – ganz natürlich eingefangen von der ausgezeichneten Tontechnik. Dass dieses grandiose Instrument ein neues Leben erfahren durfte, ist dessen perfekter Wiederherstellung durch die Orgelbauwerkstatt Fleiter aus Münster zu verdanken! Mit dieser Arbeit in Berlin bestätigt das Haus seine große Kompetenz im Umgang mit Orgeln der deutschen Romantik.
Christoph Schulte im Walde