Werke von Heinrich Bach, Johann Bernhard Bach I, Johann Friedrich Bach I, Johann Lorenz Bach und Johann Ernst Bach II
Bach Organ Works
Stefano Molardi an der Dell’Orto e Lanzini Orgel von St. Thomas in Gesso di Zola Predosa (Italien)
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Der Journalist Paul Barz lässt in seiner überaus köstlichen Komödie Mögliche Begegnung Händel klagen: „… überall Bachs – ich bin geflohen, in die Fremde, wo nicht jeder Musiker Bach heißt, in Höhen, wohin kein Bach folgen kann, und meine Musik mußte […] diesen Namen überdröhnen, nichts mehr sollte mich an ihn erinnern.“ Händel also hätte diese Doppel-CD (mit etwa zweieinhalb Stunden Spieldauer) nur mit Widerwillen angehört. Nach Händels Ansicht, dem sein Vater verboten hatte, Musiker zu werden, bekommt Beethovens Ausspruch „Nicht Bach, Meer sollte er heißen“ eine andere Bedeutung, überfluteten die Bachs doch ganze Orgelbänke in Thüringen und Sachsen.
Stefano Molardi ist 1970 in Cremona geboren. Seine Vita verkündet eine ganze Reihe weltweit bekannter Lehrer, seine umfangreichen Tätigkeiten als Dirigent und Organist (u. a. Einspielung des gesamten Orgelwerks von J. S. Bach) und seine beeindruckende weltweite Konzerttätigkeit. Für seine Aufnahme stand ihm eine Orgel zur Verfügung, die 2003 von Carlo Dell’Orto und Massimo Lanzini als Kopie einer Gottfried-Silbermann-Orgel von 1735–38 aus Frauenstein/Erzgebirge gebaut wurde, gestimmt nach Werckmeister III mit 21 Registern (davon nur drei im Pedal) auf zwei Manualen. Die Orgel, die in der Chiesa di S. Tomaso nahe Bologna steht, klingt trotz ihrer eher geringen Größe füllig und hat auch wunderschöne Einzelfarben. Selbst die Pedal-Posaune 16’ ordnet sich ein, ist zurückhaltend und dennoch deutlich, tutet keineswegs wie die Fanfare eines historischen Saurer-Reisebusdinos auf Passfahrt.
Derart ausgestattet spielt Molardi gleichsam ein Bach-Familientreffen mit Fantasien, Fugen, Chaconnen, Choral-Partiten und -bearbeitungen, wobei bei manchen Werken die Autorschaft fraglich ist (teils mit BWV-Anhang-Nummern).
Molardi bietet alles mit beeindruckender Präzision und staunenswerter Spielfreude. Die Praeludien und Fugen erinnern zuweilen an Buxtehude, Bruhns oder an den jungen Johann Sebastian. Die Choralwerke, ob einzeln oder als Partita, glänzen kompositorisch wie die Formen des großen Bach. Manche der längeren Bearbeitungen gemahnen an die Leipziger Choräle, die kurzen an das Orgelbüchlein; alles verlockt zum Selberspielen. Die drei Bearbeitungen von „Wir glauben all an einen Gott“ erscheinen allerdings lang(-weilig), weil der lange Cantus firmus in Gänze verkontrapunktiert wird. Auch bei den drei Chaconnen pflegt Molardi eine seltsame Zäsurtechnik. Nach jedem Ostinato-Durchgang stockt das Metrum, weil er unmetrisch atmet. Daran mag man sich gewöhnen oder auch nicht.
Wem dieses Familientreffen zuviel „BachBachBach“ anbietet, der kann sich an den lebendigen Farben der Orgel erfreuen. Das ausführliche Beiheft ist (nur) in Englisch.
Klaus Uwe Ludwig