Bach Liszt Widor

Jae-Hyuck Cho an der Großen Orgel in La Madeleine, Paris

Verlag/Label: evidence classics, EVCD058 (2019)
erschienen in: organ – Journal für die Orgel 2020/02 , Seite 57

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Jae-Hyuck Cho, renommierter koreanischer Pianist, Dirigent und Komponist, ausgebildet in New York, manifestiert anhand dieser CD-Produktion seine Liebe zum Instrument Orgel, das ihn seit seiner Kindheit in Seoul fasziniert hat; in sympathischer Weise erklärt er dies im Booklet (e/f).
Mit Bachs „epidemischer“ Toccata und Fuge d-Moll BWV 565, für den Interpreten der Prototyp der Orgelmusik schlechthin, beginnt das Album. Cho disponiert seine guten, durchaus virtu­osen Tempi mit geschickt platzierten Pausen bei Übergängen, um die Mu­sik trotz des immensen Halls der Pariser Madeleine klar und verständlich zu machen. Bevor die nächste „Prototyp-Toc­cata“ in Widors letztem Satz seiner 5. Symphonie op. 42 Nr. 1 jetzt natürlich kommen muss, wird schnell noch ein Spätwerk von Widor eingeschoben: die „Sicilienne“ aus Bach’s Memento, die leider nicht in der ori­ginalen, vom Komponisten vorgeschlagenen Registrierung musiziert wird, sondern im Spaltklang eines verstimmten Quintregisters.
Leider auch ist die akustische Präsentation der großen Orgel der Madeleine in Paris auf dieser CD nicht überzeugend, da sehr starke Verstimmungen im Bereich der Zungen- und Labialstimmen den Höreindruck erheblich trüben. Das Instrument, 1846 von Aristide Cavaillé-Coll erschaffen, wurde mehrmals nicht nur zu seinem Vorteil umgebaut und neobarock verändert.
Zwischen zwei sehr virtuosen Liszt-Werken (BACH und Ad nos), die entsprechend versiert musiziert und packend registriert werden, steht ein interessantes neues Werk von Texu Kim, einem jungen, vor allem in den USA bekannten koreanischen Komponisten: Phado, was Ozeanwelle bedeutet. Der Komponist ließ sich durch die südkoreanische Ostküste und von koreanischen Volksliedern inspirieren. Das Stück ist eine Auftragskomposition für diese Aufnahme in der Madeleine, die einen wunderbaren Ruhepunkt zwischen den mitreißend musizierten und eindrucksvoll klanglich umgesetzten Liszt’schen Orgelwerken bietet.
Die Aufnahmetechnik ist tadellos, das Booklet mit Jae-Hyuck Chos und Texu Kims kurzen Beiträgen (e/f) dagegen leider wenig informativ, da es über den Interpreten, die Musik (außer Kims Neukomposition) und die Orgel nichts aussagt.

Stefan Kagl