Klaus Beckmann

Aufsätze zur norddeutschen Orgelschule

(Praetorius, Tunder, Buxtehude usw.)

Verlag/Label: Schott Music, Mainz 2022, 232 Seiten, 29,99 Euro
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2022/04 , Seite 56

Der Hertener Musikwissenschaftler Klaus Beckmann ist vor allen Dingen durch seine Neuausgaben der Orgelwerke und eines Vokalwerks von Dietrich Buxtehude bekannt geworden. Daneben hat er auch andere norddeutsche Groß- und Kleinmeister um Buxtehude zum Teil auch erstmals herausgegeben, zuletzt zusammen mit Claudia Schumacher in über dreißig Bänden bei Edition Schott. Die dort eher knapp gehaltenen Vorworte hat er ebenfalls für Schott zu zwei Bänden Die Norddeutsche Schule aus gearbeitet. Nun ließ er zum Abschluss der ganzen Arbeit zwei Bücher über Buxtehude (Besprechung in organ 1/2022) sowie die Aufsätze zur norddeutschen Orgelschule (Praetorius, Tunder, Buxtehude usw.) folgen. Besonders über die Hamburger Organistenfamilie Praetorius, aber auch über den Lüneburger Organisten Johann Steffens, von dem nur eine Fantasie und drei Choralbearbeitungen überliefert sind, wird zwar ab und zu etwas, aber insgesamt doch recht wenig geschrieben. So ist man dankbar für eine Zusammenfassung mancher der an weit verstreuten Orten erschienenen Beiträge Beckmanns, zumal ihnen noch biografische und kompositionsanalytische Erläuterungen beigestellt sind.
Ein Großteil des Buches befasst sich erneut mit dem Orgelwerk D. Buxtehudes. Neben Grundlagendarstellungen zur Verwendung des doppelten Kontrapunkts in den Orgelkompositionen norddeutscher Orgelmeister und der sich daraus ableitenden Emendationen Beckmanns in den fugierten Abschnitten von Buxtehudes Orgelpräludien nimmt die Auseinandersetzung mit inzwischen erschienenen Konkurrenz-Buxtehude-Notenausgaben, aber auch mit Textbeiträgen in den Buxtehude-Studien (Butz, bis jetzt vier Bände) einen großen Raum ein. Während Harald Vogels Neuerkenntnisse zur Biografie des Autors des Codex E. B. Emanuel Benisch und der modernen Erstedition von Buxtehudes Orgelarrangement BuxWV Anh. 5 einer Triosonate von Antonio Bertali in seiner gerade bei Breitkopf & Härtel erschienenen Buxtehude-Orgelwerke-Gesamtausgabe nicht nur sachlich, sondern sogar freundlich gewürdigt werden, hält Beckmann wenig von Vogels Quellenedition der freien Orgelwerke. Das war nicht anders zu erwarten und versteht sich da her, dass Beckmann für sein eigenes methodisches Vorgehen, bei dem er quasi Buxtehude aus Buxtehude zu rekonstruieren versucht, auch gute Gründe anführen kann. Beckmanns deftige Wortwahl, wenn seiner Meinung nach andere Herausgeber sein geistiges Eigentum plündern, ohne ihn zu zitieren, ist für die nicht mit der Sachlage vertrauten Leser womöglich schwer zu ertragen. Ob es wirklich sinnvoll und nötig ist, bei entsprechenden Emendationen in einer Fußnote anzumerken, dass Klaus Beckmann schon dann und wann auf diese Idee gekommen ist, bezweifele ich, zumal der Platz für Kommentare in Notenausgaben bekanntlich meist gering ist.
Der Streit mit Ton Koopman über J. G. Walthers womöglich hinzugefügte üppige Ornamentierung in Abschriften von Orgelmusik norddeutscher Meister, auch bei Buxtehude, wird für die meisten Leser nicht in Gänze verfolgbar sein, da dazu alle Beiträge der beiden Kontrahenten in den Buxtehude-Studien zur Verfügung stehen müssten. Wer selbst Quellen mit norddeutscher Orgelmusik in den Lüneburger Tabulaturen oder anderer Handschriften norddeutscher Provenienz studiert hat, kann sich da, wo sie Konkordanzen überliefern, z. B. bei Delphin Struncks Magnificat, leicht ein Bild über die Vorgehensweise Walthers oder anderer mitteldeutscher Organisten beim Kopieren machen. Sie spiegelt die inzwischen gewandelte Spielpraxis wider. Buxtehude selbst hat wohl meist in seinen Orgelkompositionen die sparsam gesetzten Ornamente ausgeschrieben. Eine Konzentration allein auf die Sachfragen hätte dem Buch sicher gutgetan.

Rüdiger Wilhelm