Gioachino Rossini

Andante und Allegro für Flöte und Orgel

Orgelbearbeitung von Harald Feller

Verlag/Label: Edition Walhall, EW1266
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2025/02 , Seite 54

Chopins Trauermarsch dürfte das bekannteste Werk des polnischen Komponisten sein. Und es ist wohl gerade die Schlichtheit bzw. Sparsamkeit der verwendeten Mittel, die diesem Marsch seine schier unermessliche Tragik geben. Zwei sich ständig abwechselnde Akkorde in der linken Hand, darüber eine aus nur wenigen Tönen bestehende Melodie verleihen dem Ganzen über weite Strecken einen archaisch beklemmenden Duktus. Liszt schreibt dazu: „Dies konnte nur ein Pole schreiben, denn alles, was der Leichenzug eines seinen eigenen Tod beweinenden Volkes Feierliches und Herzzerreißendes haben kann, klingt in den dumpfen Glockenschlägen heraus, die ihm das letzte Geleite zu geben scheinen.“ Doch was im Original für Klavier eben durch die spezifische Anschlagsdynamik des Instruments die Assoziation von Kirchenglocken evoziert, wirkt in der Orgelbearbeitung eher fahl und flach. Was beim Klavier eine lebendige Schattierung mit Tiefengrund hat, wird auf der Orgel eher zur monochromen Skizze. Dennoch: Wer einen spielbaren Chopin – etwa bei einer Beerdigung – auf der Orgel haben will, ist mit Harald Fellers Bearbeitung bestens bedient. Ein gut lesbares, im Vergleich etwa zu William Thomas Best sehr entschlackt wirkendes Notenbild (allerdings in c-Moll) erleichtert das Einstudieren. Allerdings sollte die Orgel etwas „Wumms“ haben, um dem geforderten „pesante“ die gebührende Dramatik zu verleihen.
Ungleich mehr Anforderung an den Spieler stellt Fellers Bearbeitung von Richard Wagners Vorspiel und Isoldes Liebestod. Fellers Anspruch hier: „Es sollte dabei die komplexe Partitur dem Original möglichst nahe kommen und alles durchhörbar sein.“ Letzteres setzt neben einem gestandenen Tastenkünstler dann allerdings eine weitgehend trockene Saalakustik voraus. In vielen Kirchen mit typischer „Kirchenakustik“ dürfte es jedoch bei aller Präzision des Interpreten mit der Durchhörbarkeit schnell ein Ende finden. Achteltriolen gegen Sechszehntelquartolen gegen Sechszehntelsextolen: das klingt mehr nach Verwirrung als nach Klarheit, geschweige denn Transparenz. Aber der Liebestod ist ja nun kein banaler Akt! Er wird niemandem geschenkt. Was bei Romeo und Julia am Ende noch nach jugendlichem „Leichtsinn“ klingen mag, ist bei Wagner zur metaphysischen Tragödie gereift, ja zur Ideologie, die „kaum noch in Musik, geschweige denn in Worte zu fassen ist“. Hörenswert ist diese Ikone der Musikliteratur allemal, und sicherlich ist diese Bearbeitung eine lohnenswerte Repertoire-Erweiterung für konzertierende Virtuosen.
Als Kontrapunkt zu den vorausgehend besprochenen Werken (auch hier – siehe die Besprechung von drei Feller-Bearbeitungen in organ 1/2024) ein Werk von Rossini: Andante und Allegro. Keine spektakuläre Musik im direkten Vergleich zu Chopin oder Wagner. Bestenfalls unaufgeregte, unprätentiöse Eingebungen, vom Komponisten selbst als „Alterssünden“ abgetan, entstanden für eine von Rossinis zahlreichen Abendgesellschaften. Als gefälliger, leicht prickelnder Aperitif macht die Musik einen guten Einstand in jedem Konzert.

Wolfgang Valerius

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