Altfranzösische Orgelmusik

hg. von Günter Kaluza, Reihe „Praestant“

Verlag/Label: Heinrichshofen & Noetzel
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2022/01 , Seite 58

Die Sammlung Altfranzösische Orgelmusik enthält manualiter ausführbare Musik des französischen Barock, doch, teilweise in Auswahl, lediglich überall erhältliche und wohlbekannte Genrewerke von Jean François Dandrieu, Louis-Nicolas Clérembault, Louis Marchand, Jean Titelouze und François Couperin.
Ein kurzes Vorwort und knappe Komponistenbiografien (dt./engl.) machen den Beginn. Eine Verzierungstabelle, Hinweise zur Regis­trierungspraxis im 17. und 18. Jahrhundert für französische Orgelmusik und eine Anleitung zur Ausführung der notes inégales fehlen dagegen. Nebenamtliche Musiker werden also völlig allein gelassen. Dabei wären leicht verständliche Hinweise und Anregungen zur Adap­tion dieser Musik auf stilfremden Orgeln eine einfach zu bewerkstelligende Hilfestellung.
Das Heft enthält das Magnificat in D-Dur von Jean François Dandrieu, die Suite du premier ton von Louis-Nicolas Clérambault, vier Sätze aus Livre 5 von Louis Marchand, ein Magnificat von Jean Titelouze (in falscher Reihenfolge und Bezeichnung der Sätze: Das originale „deposuit potentes“ wird als „Grand Chœur“ bezeichnet, und die Alternativversion wird vor dem „gloria patri“ eingefügt), sowie das Kyrie samt Couplets der Messe pour les convents (sic!) von François Couperin. Doch leider vermag beim Musizieren der eigentlich attraktiven Sammlung keine Freude aufkommen, da bei jedem Satz meist mehrere satte Druckfehler im Notensatz, falsche Noten oder Notenwerte, fehlende oder falsche Ornamente irritieren oder zu unschönen Parallelen führen. Unrichtige oder fehlende Registrierungsangaben (Wer spielt ein hochbarockes französisches Duo mit Gambe und Flûte Harmonique?), fehlende originale Bögen und Überbindungen vor Ornamenten und keinerlei Hinweise auf hemiolische Takte machen es dem Laienmusiker nahezu unmöglich, dies musikalisch sinnvoll umzusetzen.
Die originalen Manual- und Registrierungsangaben oder Tempoänderungen bei der Schlusskadenz werden einfach nicht abgedruckt – von daher sind manche Sätze nicht verständlich und kaum adäquat darzustellen. Ein Hinweis, dass die Sätze des Magnificats alternatim die ungeraden Verse des Lobgesangs der Maria darstellen, fehlt; jeder Satz ist mit Magnificat betitelt, was irreführend ist. In der „Fugue“ der Suite von Clérambault sind alle kurzen und langen Vorschläge in Zweiunddreißigstel-, Sechzehntel- oder Achtelnoten ausgeschrieben, beide Arten jedoch ausnahmslos auf die Zeit notiert, was dem Interpreten jegliche Freiheit der Ausführung nimmt; etliche Verzierungen sind dagegen einfach weggelassen oder Analogien nicht ergänzt worden. Was Liebhabermusikern das Spiel erleichtern soll, ergibt ein im Vergleich zum Original sehr unübersichtliches Notenbild. Beim Récit dieser Suite fehlen wieder die originalen Manual- und Registrierungsangaben, und am Ende ist das Pedal wenig überzeugend manualiter ausgeführt. Eklatante falsche Noten verärgern zusätzlich.
Die originalen Ausgaben bzw. Handschriften der Werke, die in dieser Sammlung enthalten sind, sind im Internet jedermann zugänglich, zudem gibt es eine Reihe von korrekten Ausgaben im Handel, wel­che allesamt dieser Ausgabe vorzuziehen sind. Es ist mir schwer verständlich, wie ein renommierter Verlag eine solche Produktion verantworten kann und nicht einmal auffällige Fehler im Satz zu korrigieren vermag.

Stefan Kagl