A Quiet Beauty – Works by Kvandal

Lina Johnson, Sopran; Arnfinn Tobiassen, Orgel

Verlag/Label: LAWO LWC 1203 (2021)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2022/01 , Seite 62

Als Sohn des Komponisten David Monrad Johansen kam Johan Kvandal 1919 in Oslo zur Welt. Am Musikkonservatorium seiner Heimatstadt graduierte er als Organist und Dirigent. Sein erster Kompositions­lehrer war Geirr Tveitt, der einen nationalen, volksmusiknahen Tonfall erstrebte. Weiterführende Studien trieb er u. a. bei Nadia Boulanger in Paris. 1959–74 amtierte er als Organist und Kantor an der Kirche Vålerengen in Oslo, wo er 1999 starb.
Nach nationalromantischen Anfängen näherte sich Kvandal neoklassischen Stiltendenzen, bevor er mit Tre slåtterfantasier für Klavier wieder den „norwegischen Werten“ huldigte. Was auch für seine Orgelmusik gilt, wie die Partita über den „folketon“ Hvor er det godt å lande (Wie gut ist es zu landen [in des Himmels sicherem Hafen]) von 1971 zeigt: eine Variationenreihe nach allen Regeln der Kunst, einer Volksweise aus Heddal in Telemark abgehorcht.
Obwohl die Instrumentalmusik die Kernzone seines Schaffens bildet, bedachte Kvandal auch die menschliche Stimme – von Amts wegen vornehmlich mit geistlichen Bekundungen, wie das vorliegende Album bezeugt. Umrahmt von drei wunderseligen Julesalmer (Kirchenlieder zur Weihnacht, 1946) – die frommen Hirten und das Rosenwunder preisend – und einem religiösen Liedpaar zum Morgen und zum Abend, zieht sich das orgelbegleitete Re­cital der norwegischen Opern- und Konzertsängerin Lina Johnson durch die vielgestaltige Werkfolge. Zu den ergreifendsten Stücken gehört dabei die Kirchenarie O Domine Deus (1966): ein lateinisches, Maria Stuart zugeschriebenes Gebet in der Not ihrer Gefangenschaft.
Zum Wiederhören verführen auch die Psalmvertonung Benedicam Dominum (Psalm 34, 2-3) aus Kvandals früher Schaffenszeit, da er sich in religiöse Volksweisen und die mittelalterliche Volksballade Draumkvedet versenkte, und die Motette Jeg er kommet som et lys til verden (Ich bin gekommen als ein Licht in die Welt, Johannes Kap. 12, 46) von 1963, hier in einer Version für Solosopran und Orgel. Im ersten Satz der dreiteiligen Psalmen-Kantate Til dig herre, tar jeg min tilflugt (Zu dir Herr nehme ich meine Zuflucht, 1966), ein drängendes Gebet um Erlösung, Schutz und Schirm, steigert sich die Sopranistin schier in die Dramatik einer aria agitata.
In sinnreichem Wechsel mit den Gesangsnummern interpretiert Arnfinn Tobiassen, Kantor und Organist an der historischen Olavskirche in Avaldsnes auf der Insel Karmøy, sechs Orgelwerke aus Kvandals Feder. Beginnend mit dem Choralvorspiel über Ljoset yver landet dagna (Das [Morgen-]Licht dämmert über dem Land, 1956), einer Sequenz des 12. Jahrhunderts zur Messfeier des St. Olavstags in Nidaros (heute Trondheim), zieht die klangmächtige „Orgelkarawane“ über eine neoklassisch getönte Toccata, eine Meditation zur Fastenzeit, die oben erwähnte Partita und ein Präludium bis hin zu Kvandals Opus ultimum: der altersherben Fantasia op. 83 (1996).
Alle Aufnahmen entstanden 2019 in der Erlöserkirche der Hafenstadt Haugesund (Südwestnorwegen).

Lutz Lesle