Max Reger
7 Choralfantasien
Winfried Lichtscheidel an der Siegfried Schmid-Orgel der Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Landsberg am Lech
Bewertung: 4 von 5 Pfeifen
Mit fünf durchweg bemerkenswerten CD-Produktionen hat sich Winfried Lichtscheidel in den zurückliegenden zwölf Jahren als hochvirtuoser und erfrischend musikantischer Interpret präsentiert. Immer schien sein Motto bei der Auswahl der eingespielten Musik zu sein: Nicht kleckern, sondern klotzen. Liszt (Ad nos und die h-Moll-Sonate in der Orgeltranskription von Bernhard Haas), Dupré (2. Symphonie op. 26), Antonín Dvořáks Sinfonie Aus der Neuen Welt, sämtliche Sinfonien von Widor und Vierne, schließlich Duprés Le Chemin de la Croix und dessen Trois Esquisses. Nun liefert er seine jüngste Produktion: alle sieben Choralfantasien von Max Reger! Abermals ein anspruchsvolles, arbeitsintensives Projekt, realisiert an der Siegfried Schmid-Orgel der Stadtkirche Mariä Himmelfahrt in Landsberg am Lech – es ist Lichtscheidels neue Wirkungsstätte seit 2023.
Nun also Max Reger aus dem Allgäu – eine rundum gelungene Sache. Denn einmal mehr erweist sich Lichtscheidel als Musiker, der keinerlei spieltechnische Grenzen zu kennen scheint – im Gegenteil: Den bisweilen undurchdringlich scheinenden Noten-Dschungel durchmisst er mit Grandezza und Respekt erheischender Finger- und Fußfertigkeit. Beispiel: das eröffnende „Allegro vivace“ der Fantasie über „Ein feste Burg“ …
Technische Brillanz ist aber „nur“ die Voraussetzung, die Lichtscheidel wie selbstverständlich mitbringt, um wirklich gute Musik zu machen. Musik, die in jedem Moment atmet, die dynamisch wie tempomäßig absolut organisch Gestalt bekommt. Nichts wirkt „buchstabiert“, vielmehr ist alles eingebettet in einen Fluss, gespannt unter einen großen Bogen. Beispiel: Straf mich nicht, „poco a poco stringendo“ (T. 65 ff.)
Hinzu kommt Lichtscheidels ausgeprägte Sensibilität für Klangfarben – Farben, die Stimmungen evozieren, Atmosphäre schaffen für das Wort, um das es Max Reger in seinen Fantasien ja immer auch geht. Beispiel: der düster-geheimnisvolle Beginn von Wachet auf mit seinen krassen Gegensätzen zwischen Licht und Schatten (T. 4 mit Auftakt) und dem folgenden, den Weg aus finsterer Mitternacht hinein ins himmlisch leuchtende Jerusalem vorwegnehmenden „Grave“ (T. 8). Derart elaborierte, oftmals überraschende, stets aber überzeugende Ideen ziehen sich Takt für Takt durch Lichtscheidels Interpretation und lassen sie zu einem fesselnden Hörerlebnis werden.
Nicht zuletzt dokumentiert der Organist, dass sich Regers orchestral angelegte Musik auch auf einem Instrument realisieren lässt, das angesichts seiner doch eher barock angelegten Disposition (68/ IV/P) nicht unbedingt prädestiniert ist für derartige deutsch-romantische Literatur – aber es geht. Und es geht sehr gut! Zumal der Klang der Orgel superb eingefangen wird. Die perfekte Aufnahmetechnik sorgt sowohl für eine konsequent gute Durchhörbarkeit sämtlicher Partituren als auch das Gefühl, als Hörer mitten im Kirchenraum zu sitzen.
Christoph Schulte im Walde