Michael Heinemann / Birger Petersen / Helene Schuh (Hg.)

Zur Orgelmusik der Bach-Schule

Orgelmusik, Band 9

Verlag/Label: Dr. J. Butz, Bonn 2024, 286 Seiten, 19 Euro
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2025/03 , Seite 52

Eine das kompositorische Erbe der „Bach-Schule“ zusammenfassende Veröffentlichung war bisher ein Desideratum. Die Herausgeber:innen Michael Heinemann, Birger Petersen und Helene Schuh haben nun eine gründliche Arbeit vorgelegt, die umfassende Auskunft gibt über das Schaffen von Carl Philipp Emanuel, Johann Christian, Johann Chris­toph Friedrich und Wilhelm Friedemann Bach sowie Johann Friedrich Doles, Heinrich Nikolaus Gerber, Johann Gottlieb Goldberg, Gottfried August Homilius, Johann Peter Kellner, Johann Philipp Kirnberger, Johann Christian Kittel, Johann Ludwig Krebs, Friedrich Wilhelm Marpurg, Friedrich Christian Mohrheim, Johann Gottfried Müthel, Christoph Nichelmann und Johann Schneider. Eine Zusammenfassung der Notenausgaben beschließt den Band.
Doch zunächst wirft Petersen einen Blick auf Bachs Familie, benennt hier u. a. Joh. Gottfried Bernhard und Johann Ernst Bach, während Heinemann versucht, die Begriffe „Bachs Schule und Bachs Schüler“ näher zu definieren. Chris­tophe Guillotel-Nothmann hangelt sich anhand einer Bemerkung Johann Adolf Scheibes über Bachs viergliedrige Struktur der Ausbildung (Generalbass – Choralgesang – Praeludieren – Orgelwerk kennen und prüfen) entlang, benennt dessen didaktische Werke sowie die Verbreitung von Kopien, die Choralharmonisierung und ihre Auszierungen, schließlich Fuge und Kontrapunkt. Petersen widmet sich den Choralbearbeitungen von Bach-Schülern und weist ihre Tradition in den Orgelschulen von Ritter, Herzog und Stern nach. Weitere Essays informieren zu Änderungen des Formbedarfs im 19. Jahrhundert – u. a. beschäftigen sich Louis Dielpech, Schuh und Heinemann mit der Ablösung der Praeludien / Toccaten / Fantasien- und Fugenformen etc. durch die Sonatenform.
Normalhin fällt ein Generations­wechsel zusammen mit einem Stil- und Wertewandel. Ein solcher ist in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts besonders greifbar, da er zeitgleich mit dem Bedeutungsverlust des Organisten- und Kantorenstandes vor sich geht. So ist vor allem das Schaffen von J. L. Krebs bekanntlich stark epigonal geprägt – Bachs direkte Vorbilder sind bei ihm auf Anhieb erkennbar –, während andere wie C. Ph. E. Bach und J. G. Müthel einen neuen Weg probieren: den der ausufernden Fantasie, die ihren Platz in der Hausmusik oder auch mal im Konzert finden konnte, aber nicht mehr im liturgischen Gottesdienst, von dem Vater Bach geprägt war. Vor diesem Hintergrund ist der hier besprochene Band, der die Tradition Bach­scher Didaktik thematisiert, mehr als lesenswert.

Rainer Goede

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