Wolfgang Rihm improvisiert an der Orgel
Wolfgang Rihm an der Wolfgang-Scherpf-Orgel von 1965 (III/P/40) in der Pfarrkirche St. Peter und Paul, Karlsruhe-Durlach (ca. 1970)
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Wolfgang Rihm ist nicht unbedingt als Komponist von Orgelmusik bekannt. Dabei erklärte er bereits 1983: „Ich habe früher viel Orgelmusik komponiert, so um die Zeit 1966 bis 1970, sehr viel Orgelstücke, wenig Frommes, meist dröhnend Freies, kinderhaft pompig. Gespielt habe ich auch sehr gerne an Orgeln, natürlich nie nach Noten, sondern – wie es sich gehört – mit mir selbst, es war herrlich. Manchmal habe ich mich einschließen lassen, es gab damals schon ein paar Leute, die mich gewähren ließen; ich … schlug die halbe Nacht die Orgel – durchaus im Wortsinn.“
Das bislang veröffentlichte Orgelschaffen Rihms ist – gemessen an diesem Hinweis, aber auch der Fülle seiner Werke für andere Instrumente – schmal: Aus der Zeit seiner Karlsruher Kompositionsstudien bei Eugen Werner Velte sind drei Fantasien und ein Orgelstück mit dem Titel Contemplatio aus dem Jahr 1967 verfügbar, außerdem eine einzelne Fantasie von 1968. Parusie für große Orgel op. 5 stammt aus dem Jahr 1970, Sinfoniae I mit dem Untertitel „Messe für Orgel“ ist ein Jahr jünger. Während seiner Studienzeit bei Klaus Huber komponierte Wolfgang Rihm 1974 Siebengestalt für Orgel und Tam-Tam, während Bann, Nachtschwärmerei erst 1980 entstand.
Die Einspielung Martin Schmedings nimmt neben diesen schon lange verfügbaren Werken auch die frühen Werke Rihms, die vor allem aus der Zeit vor und während des Studiums entstanden sind, in den Blick, aber auch ganz andere Stücke: so Clamatio für Orgel und Beiklänge, ein in Anlehnung an Mauricio Kagels Kompositionen mit erweitertem Instrumentarium entstandenes Werk von 1971/72, das Schmeding mit seiner ganzen Familie und Freunden und mit erkennbarem Spaß aufführt. Überhaupt ist seinem interpretatorischen Zugang zum Schaffen Rihms – jenseits der Schmeding ohnehin eigenen stupenden Virtuosität – eine große Freude an der Klangwelt des Karlsruhers anzumerken. Das einzige Werk, das hier noch fehlt, ist Unbenannt IV von 2003 als Komposition für Orgel und Orchester – als Empfehlung für ein Projekt, das nach Fortsetzung lechzt.
Die Klais-Orgel der Pfarrkirche St. Stephan in Karlsruhe entspricht weitgehend den Instrumenten, an denen Rihm in den 1960er Jahren selbst gespielt hat; sie geht zurück auf ein Werk von 1959, das 2012 reorganisiert und deutlich erweitert wurde und nun dem Projekt überaus angemessenen ist. Die heutigen 63 Register werden durch ein neues Auxiliarwerk mit weiteren 27 Registern ergänzt – die der Musik Rihms zusätzliches Gewicht verleihen; Schmeding beherrscht das Instrument auch insofern, als ihm mit dieser Orgel Momente beeindruckender Transparenz gelingen.
Ergänzt wird die überzeugende Aufnahme durch zwei Gespräche, die Mirjam Wiesemann – als spiritus rector entscheidende Ideengeberin des Plattenlabels – mit dem Organisten und dem Komponisten geführt hat: Wolfgang Rihm zeigt sich wie immer als sprachmächtiger, auskunftsfreudiger, aber auch durchaus unbequemer Gesprächspartner, der gleich zweimal anbietet, doch lieber über Felix Draeseke zu sprechen … Leider wirken die beiden Interviews etwas untersteuert, was sicherlich den akustisch problematischen Lokalitäten geschuldet ist.
Die technische Qualität der vier SACDs ist über jeden Zweifel erhaben. Besonders wertvoll werden sie durch eine Aufnahme des musizierenden Komponisten: Wolfgang Rihm improvisiert in Karlsruhe-Durlach an der ihm sehr vertrauten Wolfgang-Scherpf-Orgel, darunter eine Fantasie über ein Thema aus Liszts Faust-Sinfonie oder eine Toccata über B-A-C-H.
Das bislang veröffentlichte Orgelschaffen Rihms ist – gemessen an diesem Hinweis, aber auch der Fülle seiner Werke für andere Instrumente – schmal: Aus der Zeit seiner Karlsruher Kompositionsstudien bei Eugen Werner Velte sind drei Fantasien und ein Orgelstück mit dem Titel Contemplatio aus dem Jahr 1967 verfügbar, außerdem eine einzelne Fantasie von 1968. Parusie für große Orgel op. 5 stammt aus dem Jahr 1970, Sinfoniae I mit dem Untertitel „Messe für Orgel“ ist ein Jahr jünger. Während seiner Studienzeit bei Klaus Huber komponierte Wolfgang Rihm 1974 Siebengestalt für Orgel und Tam-Tam, während Bann, Nachtschwärmerei erst 1980 entstand.
Die Einspielung Martin Schmedings nimmt neben diesen schon lange verfügbaren Werken auch die frühen Werke Rihms, die vor allem aus der Zeit vor und während des Studiums entstanden sind, in den Blick, aber auch ganz andere Stücke: so Clamatio für Orgel und Beiklänge, ein in Anlehnung an Mauricio Kagels Kompositionen mit erweitertem Instrumentarium entstandenes Werk von 1971/72, das Schmeding mit seiner ganzen Familie und Freunden und mit erkennbarem Spaß aufführt. Überhaupt ist seinem interpretatorischen Zugang zum Schaffen Rihms – jenseits der Schmeding ohnehin eigenen stupenden Virtuosität – eine große Freude an der Klangwelt des Karlsruhers anzumerken. Das einzige Werk, das hier noch fehlt, ist Unbenannt IV von 2003 als Komposition für Orgel und Orchester – als Empfehlung für ein Projekt, das nach Fortsetzung lechzt.
Die Klais-Orgel der Pfarrkirche St. Stephan in Karlsruhe entspricht weitgehend den Instrumenten, an denen Rihm in den 1960er Jahren selbst gespielt hat; sie geht zurück auf ein Werk von 1959, das 2012 reorganisiert und deutlich erweitert wurde und nun dem Projekt überaus angemessenen ist. Die heutigen 63 Register werden durch ein neues Auxiliarwerk mit weiteren 27 Registern ergänzt – die der Musik Rihms zusätzliches Gewicht verleihen; Schmeding beherrscht das Instrument auch insofern, als ihm mit dieser Orgel Momente beeindruckender Transparenz gelingen.
Ergänzt wird die überzeugende Aufnahme durch zwei Gespräche, die Mirjam Wiesemann – als spiritus rector entscheidende Ideengeberin des Plattenlabels – mit dem Organisten und dem Komponisten geführt hat: Wolfgang Rihm zeigt sich wie immer als sprachmächtiger, auskunftsfreudiger, aber auch durchaus unbequemer Gesprächspartner, der gleich zweimal anbietet, doch lieber über Felix Draeseke zu sprechen … Leider wirken die beiden Interviews etwas untersteuert, was sicherlich den akustisch problematischen Lokalitäten geschuldet ist.
Die technische Qualität der vier SACDs ist über jeden Zweifel erhaben. Besonders wertvoll werden sie durch eine Aufnahme des musizierenden Komponisten: Wolfgang Rihm improvisiert in Karlsruhe-Durlach an der ihm sehr vertrauten Wolfgang-Scherpf-Orgel, darunter eine Fantasie über ein Thema aus Liszts Faust-Sinfonie oder eine Toccata über B-A-C-H.
An gleichem Ort entstanden ist die Aufnahme, die Cybele parallel unter dem Titel Wolfgang Rihm improvisiert an der Orgel herausgegeben hat: Bei fünf weiteren Improvisationen ohne Titel, aber auch weiteren Kompositionen, die barocke Vorbilder im Titel tragen – und in mancherlei Hinsicht auch in ihrer Textur –, ist der Eindruck des improvisierenden, orgelaffinen Komponisten mit beeindruckender Technik (!) sehr stark. Dank der Aufnahmetechnik ist er auch frisch: Die Mono-Aufzeichnungen von 1970 wurden von Cybele einer bemerkenswerten Restaurierung unterzogen.
Beide Ausgaben werden abgerundet durch informative, im Falle des SACD-Sets auch reichhaltig bebilderte Booklets mit behutsamen Einführungen in den Stil und die Schaffensprozesse Wolfgang Rihms. – Rundum empfehlenswert.
Beide Ausgaben werden abgerundet durch informative, im Falle des SACD-Sets auch reichhaltig bebilderte Booklets mit behutsamen Einführungen in den Stil und die Schaffensprozesse Wolfgang Rihms. – Rundum empfehlenswert.
Birger Petersen