Bartmuß , Richard

Wiederentdeckte romantische Orgelkonzerte

Konzerte No. 1 Es-Dur op. 25 / No. 2 g-Moll op. 33

Verlag/Label: Motette MOT 40311 (2012)
erschienen in: organ 2012/04 , Seite 56

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Wer hat je von Richard Bartmuß (1859-1910) gehört? Wie man den biografischen Notizen Felix Dietzes im Booklet zur Ersteinspielung zweier Orgelkonzerte des Komponisten entnehmen kann, muss Bartmuß – er wurde nahe der Lutherstadt Wittenberg in eine Lehrers­familie hineingeboren – ein von der Musik durchdrungener Mensch gewesen sein. Nach einer Ausbildung zum Musikpädagogen studierte er 1882-85 am Berliner Kirchenmusikalischen Institut der Akademie der Künste Orgel und Klavier sowie Komposition. Seine Fähigkeiten als Orgelvirtuose hätten ihm beacht­liche berufliche Möglichkeiten eröffnen können, doch eine erfolgreiche Bewerbung ins russische Libau zog er wieder zurück, einen Ruf nach St. Petersburg schlug er aus; er nahm stattdessen den Posten des Organisten der Des­sauer Marienkirche an. In Mitteldeutschland sollte er sein Leben lang verwurzelt bleiben.
Neben dem Orgeldienst, der Abnahme von Orgelprüfungen und seiner pädagogischen Tätigkeit hat Bartmuß noch Zeit gefunden zu komponieren, vornehmlich Werke für die Kirche wie Motetten, Kantaten, Oratorien und für sein Instrument, die Orgel, aber auch Lieder und eben diese zwei Konzerte in Es-Dur op. 25 und g-Moll op. 33 für Orgel und Orchester. Auch sie können ihre Herkunft aus der kirchlichen Praxis nicht leugnen. Der Satz ist immer wieder durchdrungen von imitatorischen Passagen und gleichsam präludierenden Abschnitten. Der Finalsatz des Es-Dur-Konzerts zeigt darüber hinaus noch die Einarbeitung eines Chorals und überrascht mit dem Hinzutreten eines Chors. Bartmuß versteht es, die Struktur des Satzes instrumental und solistisch geschickt zu durchwirken. So fächert er die aufeinander folgenden Stimmeinsätze in den Fugato-Abschnitten des Öfteren auf das Soloinstrument und die Orchesterinstrumente auf. In der thematisch-motivischen Erfindung weiß Bartmuß durch das Alternieren von energischer Kraft und elegischer Ruhe eine musikalische Gespanntheit aufzubauen, so etwa auch im Mittelsatz des Es-Dur-Konzerts, dessen introvertiert und abgeschattet gehaltener Eingang in einen dunkel dräuenden Trauermarsch mündet, doch es mangelt ihm an einer aus sich selbst heraus entwickelnden Auseinandersetzung mit dem musikalischen Material. Die Reihung seiner musikalischen Gedankenführung verliert schnell an Reiz.
Dominic Kiefer mit dem Capriccio Barockorchester und Ulrich Meldau an der Tonhallenorgel wissen den jeweiligen musikalischen Gestus kongenial zu erfassen und sie vermögen eine ausgeglichen gemischte Klanglichkeit und eine gute Balance von Orchester und Orgel zu schaffen, gerade auch in den licht gehaltenen und kammermusikalisch zurückgenommenen Abschnit­ten. Technisch befindet sich das Capriccio Barockorchester allerdings nicht immer auf der wünschenswerten Höhe der Spielkultur, und der im Es-Dur-Konzert hinzutretende Chor hinterlässt im Gegensatz zum Orgelsolisten einen eher dilettierenden Eindruck.

Thomas Bopp