Johann Sebastian Bach

Weihnachtsoratorium BWV 248

Bearbeitung für Soli, Chor und Orgel von Carsten Klomp

Verlag/Label: Teil I, Carus 31.352/10 Teil II, Carus 31.352/20 Teil III, Carus 31.352/30
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2023/03 , Seite 58

Ein Weihnachtsfest ohne Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium? Undenkbar! Auch wenn die Eintrittsgelder der großen Aufführungen in den Gemeinden oft einen erheblichen Teil der Ausgaben für die restliche Kirchenmusik im Jahr mittragen, so sind auch die Kosten gerade für Solisten und Orchester bei dem zumeist vor Ort vorhandenen Chor nicht unerheblich.
Die vorliegende Ausgabe von Carsten Klomp bringt die Partien des Chors und der Solisten unverändert im Original (die gängigen Klavierauszüge sind also weiter problemlos verwendbar). Den Orches­tersatz dagegen reduziert Klomp auf einen reinen Orgelsatz. Dabei standen für ihn drei Überlegungen im Vordergrund:
1. Hinsichtlich des Notentextes sollte die Orgelfassung so nah wie möglich am Original sein.
2. Dennoch sollte die Orgelfassung nicht einfach ein „Klavierauszug“ auf der Orgel, sondern sowohl klanglich als auch spieltechnisch möglichst orgelgemäß sein.
3. Bei aller notwendigen Virtuosität sollte das Ergebnis gleichwohl spielbar sein, so dass für manche Passagen nach besonderen Lösungen gesucht werden musste.

Sind die ersten beiden Überlegungen sofort verständlich, erläutert Klomp für die dritte am Beispiel der Arie „Großer Herr, o starker König“, in der sich die Melodielinien von Trompete und Violinen immer wieder überlagern: „Eine Trio-Lösung wäre zwar spielbar, würde aber dem orchestralen Charakter des Stückes nicht gerecht. Eine vollgriffigere Version unter Beibehaltung der jeweiligen Oberstimmen in ihrer jeweiligen Lage wiederum wäre zwar dem Orchesterklang gerecht geworden, aber nahezu unspielbar. Hier habe ich mich daher in einzelnen Takten dafür entschieden, Streichertöne in die Solostimme zu legen und umgekehrt – mit dem Ziel, eine Lösung zu finden, die an den meisten Stellen dem Original und an wenigen anderen Stellen zumindest der klanglichen Wirkung der Orchesterversion entspricht.“
Zur Aufführung genügt eine zweimanualige Orgel vollständig, eine dreimanualige ermöglicht eine größere klangliche Vielfalt. Klomp konzipiert den Orgelsatz für drei Klangebenen: T – Tutti-Manual (Or­chester), S – Solo-Manual (etwa für die Trompeten- und Oboen-Stimmen) und C – Continuo-Manual.
Klomp ist es klar, dass diese Bearbeitung „kein Ersatz für die Orchesterfassung“ sein kann, „sondern eine eigenständige Aufführungs­option dieser wundervollen Musik bieten soll“. Tatsächlich sind wir es gewohnt, Bachsche Musik auf eine bestimmte Art und Weise zu hören. Wird z. B. der Doppelchor der Matthäuspassion von „nur“ acht Solo-Choristen besetzt, ist da klanglich etwas Anderes. Gleichzeitig bieten derartige Bearbeitungs- und Interpretationsansätze aber einen guten Boden, sich der Musik Bachs, die ja trotz geänderter Besetzung in ihrem innersten Kern identisch ist, neu zu nähern. Ein wunderbarer, im tiefsten Sinne „musikalischer“ Gewinn!

Ralf-Thomas Lindner