Waldszenen

Werke von Robert Schumann, Fritz Lubrich (1888-1971), Prasqual (*1981) und Louis Vierne

Verlag/Label: Motette MOT 13091 (2012)
erschienen in: organ 2013/02 , Seite 54

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Robert Schumann komponierte seinen Klavierzyklus Waldszenen in den Jahren 1848/49 nicht für den großen Konzertsaal, sondern für das bürgerliche Wohnzimmer. Es ist also keineswegs naheliegend, diese intime romantische „Hausmusik“ für große Orgel zu arrangieren und in den weiten Klangdimensionen eines sakralen Raumes ertönen zu lassen. Johannes Trümpler, seit 2006 Organist der Abteikirche Maria Laach, hat dennoch den Versuch der Transkription für sein Instrument gewagt und gelangt dabei – wenn man einmal ästhetische Bedenken gegen dieses Unterfangen zurückstellt – zu klanglich überzeugenden Lösungen. Trümpler belässt Schumanns Komposition ihren überwiegend zart-filigranen, ohne Basstiefen schwebenden Charakter, arbeitet polyphone Ansätze wie
dynamische Schattierungen heraus und weitet die kammermusikalische Faktur nur bei wenigen Stücken, wie dem „Jagdlied“, zum mächtigen Plenum. Trotz der sehr deutschen Herkunft von Schumanns Musik entsteht gelegentlich, etwa bei den „Einsamen Blumen“ oder der „Freundlichen Landschaft“, ein Idiom, das in seiner Beschwingtheit unerwartet an die recht weltlichen französischen Sorties eines Lefébure-Wély erinnert.
Das Instrument, auf dem Trümpler dies alles gelingt, ist die 1910 in der Abteikirche Maria Laach erbaute Stahlhuth-Orgel mit 66 Registern (darunter sieben Transmissionen), die ursprünglich räumlich in Haupt- und Chororgel getrennt aufgestellt war, deren Teilwerke jedoch nach 1930 zusammengeführt wurden. Es handelt sich bei diesem letztmals im Jahre 2000 durch die Firma Klais behutsam restaurierten Werk um eine der wenigen großen elektropneumatischen Orgeln, die sich in Deutschland bis heute einigermaßen original erhalten haben.
Auf dieser Orgel, die in Disposition und Bauweise einzelner Regis­ter englische und französische Einflüsse aufweist, entwickelt Trümplers Einspielung, von Schumanns Waldszenen ausgehend, einen inhaltlichen roten Faden. Denn auch in den übrigen dargebotenen Stücken werden fast durchwegs Naturstimmungen eingefangen, was teils auf dem Umweg über die bildende Kunst geschieht, wie in den Drei romantischen Tonstücken op. 37 des schlesischen Komponisten Fritz Lubrich (1888-1971) nach Bildern Arnold Böcklins.
Ferner enthält Trümplers Programm drei der bekanntesten der 24 Fantasiestücke für Orgel von Louis Vierne: die in fließenden Girlanden tanzenden Naïades, das in zarte Klangwolken gehüllte Solo des Clair de lune, sowie, als Rückwendung von der Natur in den kathedralen Klangraum, Viernes Carillon de Westminster. Abgerundet wird die Einspielung durch ein Stück des zeitgenössischen jungen polnischen Komponisten Prasqual, dessen Luna vuota mit magischen Chiffren „Nacht, Mond, Leere, Geheimnis, mondlosen Raum und einsame Orgel in dieser Leere“ beschwört.

Gerhard Dietel