Vorhang auf!

11 Transkriptionen aus Oper und Operette, bearbeitet für Orgel solo und hg. von Hans Uwe Hielscher

Verlag/Label: Dr. J. Butz 3076
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2023/03 , Seite 59

Der vorliegende Band ist der inzwischen fünfte der Reihe Organ goes Opera. Dabei trifft der Titel nicht ganz zu, tritt die Orgel hier ja nicht den Weg in die Oper an, sondern die Oper kommt vielmehr zur Orgel. Und da noch immer die Kirche der bevorzugte Standort der Königin der Instrumente ist, hält die Oper Einzug in die Kirche.
Quo vadis organum? Man hört es förmlich, das Nattergezisch der Geharnischten, der Hüter der „wahren Lehre“, die lieber die „Asche anbeten“ und beamtengleich in einer quasi Endlos-Repeat-Schleife sich mit Bach, Reger & Co. begnügen – freilich akkurat und sauber dargeboten, treu dem „Gesetz“. Doch während sich die Kirche(n) wie auch die Gralshüter der sogenannten Hochkultur selbst zu Grabe tragen, führen vielerorts Orgel und Orgelkultur ein zunehmend autarkes Leben. Keine Frage, die Orgelwelt ist autonomer, ist bunter geworden, zuweilen auch ein wenig „queer“. Denn die Orgel als Instrument der Kirche ist vielerorts ihrem „Elternhaus“ entwachsen, ist mündig geworden, ja emanzipiert. Und vielleicht hier und da auch schon aus dem „Verein“ ausgetreten.
Wohin also geht die Orgel? Gibt es da den einen Königsweg? Oder führen nicht bekanntlich viele Wege nach Rom? Denn so individuell die Orgel in Form und Klang ist, so unterschiedlich können und dürfen auch die „neuen“ Wege sein, die Orgel aus ihrem leider immer noch vielerorts verschnarchten Dasein hinaus- und hinzuführen zu den Menschen.
Hier nun also Orgel und Oper! Da mag man erst mal schlucken, hat – zugegeben – schnell die Schublade mit den gängigen Klischees und Urteilen parat. Doch wieso eigentlich? Ist denn ein gut „inszenierter“ Gottesdienst nicht auch immer schon ein Stück „Theater“ oder „Oper“ gewesen? Oder beides? Und wenn – wie hier – Hans Uwe Hielscher in Personalunion als Bearbeiter und Herausgeber fungiert, darf man sicher sein, dass niemand nur um seiner selbst und der Originalität willen unterwegs ist. Hielscher pflegte und pflegt als Interpret das klassische Repertoire, hat aber auch nie Berührungsängste zu vermeintlich „leichteren“ Genres gezeigt.
In den vorliegenden Bearbeitungen spricht denn auch ganz der versierte Organist Hielscher. Er kennt sein Instrument und versteht es trefflich, die jeweiligen Orchester­partituren der Orgel auf den Leib zu schneidern – alles liegt gut in der Hand –, dabei die Anforderungen nicht zu überreizen: „Reduziert auf das Wesentliche in Satz, Rhythmus und Harmonie, wurde deshalb darauf geachtet, das spieltechnische Niveau nicht zu hoch anzulegen.“ Und so dürfen sich zukünftige Konzertbesucher hier und da freuen auf Titel wie: Einleitung zu Carmen, „Barcarole“ aus Hoffmanns Erzählungen, „La donna è mobile“ aus Rigoletto oder Gefangenenchor aus Nabucco. Und im Gottesdienst auf wunderbar getragene Musik wie das „Intermezzo sinfonico“ aus Mascagnis Cavalleria rusticana oder Massenets bekannte „Méditation“ aus der Oper Thaïs.
Ein ebenso klares wie sauberes Druckbild, dazu griffiges Papier runden diesen gelungenen und empfehlenswerten Band ab. Vorhang auf! Und viel Spaß beim Spielen wie Hören!

Wolfgang Valerius