Hakim, Naji
Vier Choralbearbeitungen (2011) für Orgel
Ein Kompositionsauftrag in memoriam der im Jahre 2007 mit 46 Jahren allzu früh verstorbenen US-amerikanischen Bach-Forscherin Anne Leahy bot Naji Hakim Gelegenheit, sich einem spezifisch reformatorischen Liedgut kompositorisch zuzuwenden, dessen sich auch Johann Sebastian Bach in seinen Leipziger Chorälen zuvor angenommen hatte. Es sind dabei vier reizvolle Miniaturen für die Orgel entstanden, allesamt in leichter Spielbarkeit und im Umfang (ca. 6 Minuten) Hakims Zyklus Mariales vergleichbar.
In Komm, heiliger Geist, Herre Gott schreibt Hakim eine Staccato-Achtel-Figuration, die als Versinnbildlichung des Sanctus Spiritus den in der Oberstimme liegenden Cantus firmus spielerisch umrankt. Im zweiten Orgelchoral An Wasserflüssen Babylon wird der Choral im Pedal durchgeführt. Dabei schmückt ihn Hakim nach Art einer plainte mit einer farbig-romantisierenden Akkordik. Schmücke dich, o liebe Seele ist dagegen nach Art einer Méditation als Oktavkanon zwischen Oberstimme und Pedal über einer ruhigen Begleitung der linken Hand gestaltet. Die möglicherweise etwas scholastisch und statisch anmutende Rhythmik findet sodann im abschließenden Allein Gott in der Höh sei Ehr ihre geistreich-sprühende Auflösung in der quirlig-tanzartigen Faktur. Gewisse Anklänge an den Jazz stehen für eine durchaus persönliche Choralbehandlung Hakims. Kurzes Fazit: ein mit leichter Feder geschriebener reizvoller Kontrapunkt zu den überaus komplexen Bachschen Chorälen und zugleich eine dankbare Bereicherung für Liturgie und Konzert.
Christoph Kuhlmann