Versuchung Streicher. Orgel. Romantik
Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901): Suite c-Moll op. 149 / Sechs Stücke op. 150
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Kirchenmusik auf der einen, Kammermusik auf der anderen Seite: chiesa und camera bilden unter dem musikalischem Aspekt ihrem angestammten örtlichen wie soziologischen Kontext nach heute einander meist eher ausschließende Sphären. Aber es gibt dann doch einige (wenige) Werke, die bereits in ihrer Konzeption und nicht via nachträgliche artifizielle Adaption beide Genres vereinen. Dazu zählt auch Josef Rheinbergers Suite op. 150 für Violine, Violoncello und Orgel, die 1877 auf Ersuchen des Rheinberger-Freundes Alexandre Guilmant entstand und offenbar eine damalige Marktlücke füllte. Durch Ihre prächtigen Stücke ist wirklich einem fühlbaren Mangel abgeholfen worden, mit diesen Worten stattete seinerseits der Weimarer Hoforganist Alexander Wilhelm Gottschalg Rheinberger seinen besonderen Dank für diese Komposition ab.
Die vorliegende Einspielung entstand in der einstigen Nikolaikirche zu Frankfurt an der Oder, die unter sozialistischem Kulturregiment zur Konzerthalle profaniert wurde. Leider ist das auf dem Tonträger erzielte Klangbild nicht ganz befriedigend. Die Aufnahmetechnik lässt den Violinpart Klaudyna Schulze-Broniewskas und das Cello Thomas Georgis häufig allzu prominent im Vordergrund stehen. So sehr man sich an dem süffigen Gesang der beiden Streicher erfreuen mag, den diese miteinander, alternierend oder die Phrasen einer dem anderen nachsingend produzieren, so sehr wünschte man sich den Orgelpart, den Anja Liske-Moritz an der 1975 erbauten dreimanualigen Sauer-Orgel gestaltet, in deutlicherer Präsenz wahrzunehmen. Viel zu dezent verharrt die Orgel klanglich im Hintergrund, entwickelt regelrechte Fernwerkeffekte, das Finale einmal ausgenommen, bei dem die Orgel ähnlich pompös auftrumpfen darf wie in den bekannteren Orgelsonaten des Komponisten.
Die vorliegende CD enthält neben der Suite op. 149 auch Rheinbergers wenig später entstandene Sechs Stücke op. 150 für Violine und Orgel, deren Nummern 2, 4 und 5 hier in einer Bearbeitung des Komponisten für Violoncello erklingen. Die Klanggewichte wirken in Opus 150 insgesamt ausgewogener; der Orgelpart bietet hörbar mehr Zeichnung und Kontur. Was die beiden Opera verbindet, ist ihre Stellung nicht nur zwischen chiesa und camera, sondern auch zwischen barocken Modellen und romantischen Ausdrucksweisen. Da stehen dann ein ganz dem 19. Jahrhundert zugehörendes gefühlvolles Abendlied oder eine Elegie in gedecktem Celloton neben klassischen suitenhaften Tanzsätzen wie Gigue und Sarabande, wobei Letztere in der Interpretation der drei beteiligten Künstler eher beschwingt als gemessen gravitätisch wirkt. Am deutlichsten kommt das Bestreben barockisierender Rhetorik in der Ouvertüre aus op. 150 zum Zuge: Gegen seine Neigung zu gleichmäßig fließen-der melodischer Bewegung greift Rheinberger hier dezidiert die typischen punktierten Rhythmen altfranzösischer Vorbilder auf.
Gerhard Dietel