Hakim, Naji
Variationen über O Königin voll Herrlichkeit, Maria für Orgel
Hier legt Maître Naji Hakim in der Edition Schott gleich zwei neue Werke vor, die mit Blick auf Umfang und Schwierigkeitsgrad einen breiten Kreis (auch nebenberuflicher) OrganistInnen ansprechen dürften. Seine vier Variationen über die Weise des Speyerer Marienliedes O Königin voll Herrlichkeit, Maria!, dessen Text Wilhelm Molitor und dessen Melodie Johann Baptist Benz (Speyer 1861) verfasst hatten, sind 2014 entstanden. Das Stück ist eine Auftragsarbeit der Diözese Speyer; es ist dem dort aktuell amtierenden Domorganisten Markus Eichenlaub zugeeignet.
Schon in der ersten Variation ist man erstaunt, wie unglaublich subtil und instinktsicher Hakim hier diese simple tonale Melodie, deren Intervallschritte sich auch noch immer wiederholen, als Bass-Cantus-firmus-Satz in einen ausgesprochen reizvollen harmonischen Kontext versetzt. Seine zarte Begleitung setzt einfache Motivik, ausdrucksstarke Harmonik, melodische Steigerung und stringenten Fluss ein, um in ganz und gar französisch-orchestraler Manier die Liedmelodie in eine Orgelklangwolke zu zaubern, die Spieler und Zuhörer mit einfachen Mitteln sicherlich entrückt und entzückt.
Im folgenden Bicinium, das nun eine kleine Terz höher, in C, steht, wird auch ganz simpel gearbeitet: Die leicht kolorierte Melodie wird schlicht mit ansprechender Harmonik unterlegt, die in Arpeggios und Läufen in Sechzehntelbewegung aufgelöst ist. In der dritten Variation ornamentiert eine ruhige Oberstimme die Weise über schlichten akkordischen Ligaturen. Das Finale, eine tänzerische Gigue, lässt das Thema fast volksliedhaft ausgelassen erklingen, gerahmt von Einleitung und Coda.
Prélude, Choral et Danse beginnt mit einen fröhlichem Scherzo, bei dem eine fast durchgängige Sechzehntelbewegung im 6/8tel-Takt konzertant-keck begleitet wird. Das Thema des nachfolgendem Chorals wird als Cornet-Solo zitiert, wandert in den Bass einer akkordisch begleiteten Manualiter-Durchführung und kehrt, weiter ausornamentiert im Cornet, erneut in die Oberstimme zurück. Ein mitreißender Tanz, wie mit einem Tamburin-Ostinato, begleitet folgt im gleichen Kompositionsschema.
Beide Werke sind bezüglich ihres Schwierigkeitsgrades leicht bis höchstens mittelschwer, also durchaus auch von Laien spielend zu erarbeiten und erfordern im Prinzip nur eine farbenreiche zweimanualige Orgel (ein drittes Manual ist zwar in der Partitur indiziert, doch mit geschickter Umregistrierung kommt man sicher auch ohne dieses aus!).
Stilistisch darf man nichts umwälzend Neues erwarten, die Kompositionsprinzipien sind einfach, aber könnerhaft-perfekt ausgearbeitet, und das Ganze klingt etwa wie die postimpressionistische Tonsprache der ebenso populären wie meisterlichen Improvisationen Pierre Cochereaus (192484). Die Stücke verleugnen keineswegs Naji Hakims geistvoll-witziges, virtuoses Idiom. Unverfälschter französischer Esprit, beileibe nicht nur für Domorganisten!
Stefan Kagl