Karg-Elert, Sigfrid

Ultimate Organ Works – Vol. 8

Verlag/Label: Aeolus AE-11001 (2015)
erschienen in: organ 2015/04 , Seite 57

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Sigfrid Karg-Elerts Orgelmusik stand zu Lebzeiten des Komponis­ten immer im Schatten derjenigen Max Regers, und dabei ist es bis heute geblieben, trotz des Engagements von Interpreten wie Wolfgang Stockmeyer oder, in jüngerer Zeit, Stefan Engels. Ihnen schließt sich die Germanistin, Musikwissenschaftlerin und Organistin Elke Völker mit ihrer Folge von CD-Einspielungen an, die Karg-Elerts „Ultimate Works“ enthalten sollen, was offensichtlich nicht chronologisch gemeint sein kann, sondern wohl eher als Rangbegriff zu verstehen ist.
 Auch für Folge 8 ihrer Karg-Elert-Serie hat Elke Völker wieder, nach Orgeln von Wilhelm Sauer, Stahlhuth und E. F. Walcker, ein den Kompositionen adäquates Instrument ausgewählt. Als die Firma Steinmeyer im Jahre 1911 eine nahezu hundertstimmige Orgel (mit Fernwerk) für die Mannheimer Christuskirche errichtete, gehörte der Komponist Karg-Elert nämlich zu jenen, die das dem neuesten Stand von Technik und Ästhetik entsprechende „Wunderwerk“ priesen. Dieses „Opus 1100“ der Firma Steinmeyer erweist sich im Kern als eine spätromantische Orgel deutschen Stils, die aber durch Zungenregister nach französischer Art erweitert ist und als raffinierteste Sondereinrichtung nach dem Stil- und Zeitgeschmack ein Fernwerk besitzt, das in der Kuppel der Kirche unsichtbar versteckt ist.
In ihren Ton-Aufnahmen nutzt Elke Völker die dynamische Hierarchie der Manuale zu einer Interpretation, in der die Klänge tiefengestaffelt erscheinen, als Folge von Horizonten, hinter denen sich immer neue, noch fernere auftun. Das ist nur adäquat für Karg-Elerts unter malerischen Titeln wie Impressionen und Pastelle je zum Triptychon gruppierten Stücken mit ihrem Faible für nächtliche Stimmungsbilder, die Clair de lune oder Harmonies du Soir heißen. In diesen Tongemälden sind klare Themen und Motive oft kaum zu greifen: Mit ihrer permanenten Modulatorik, ihrer chromatischen Unruhe, ihren amorph wirkenden Klängen entzieht sich die Musik im­mer wieder dem schnellen Verstehen. Nur weniges erschließt sich dem Hörer so mühelos wie die „Valse mignonne“ aus den Three New Impressions op. 142, der Elke Völker charmante, gelegentlich sogar frivole Klanggestalt gibt.
 Eine Kuriosität aus heutiger Sicht bietet das Eröffnungsstück der CD: die Festmusik aus den Meistersingern, enthalten in den „18 Konzertbearbeitungen“ nach Wagners Musikdramen, mit denen Karg-Elert damals einen nach Wagner-Arrangements begierigen Markt be­diente. Seine mit gut sechs Minuten recht kurz gehaltene Montage aus Meistersinger-Ouvertüre und Finale des dritten Akts macht dem Hörer Vergnügen – und sichtlich auch der Organistin, die dieses Opern-Arrangement lustvoll pompös inszeniert.

Gerhard Dietel