Naji Hakim

Trois danses basques

Zortziko – Ezpata Dantza – Fandango für Orgel

Verlag/Label: Schott Music, ED 22862
erschienen in: organ 2018/01 , Seite 63

Die spanische Stadt San Sebastián, am Kantabrischen Meer gelegen, war 2016 Kulturhauptstadt Europas, und das erste Stück des vorliegenden Triptychons von Naji Hakim – dessen Ehefrau Halbspanierin ist – wurde im selben Jahr von der Quincena Musical de San Sebastián,
einem seit 1939 bestehenden tra­ditionsreichen und über die Grenzen Spaniens bekannten internationalen Musikfestival  – zunächst als Orchesterfassung in Auftrag gegeben. Da lag es natürlich mehr als nahe, der Kultur des Baskenlandes, speziell seiner Volkstänze und Volks­musik zu huldigen. Dass dies auch Hakims rhapsodischem Kompo­sitionsstil, der sich immer wieder gerne folkloristischer Elemente, rhythmisch skandierender Ostinati, ungerader Rhythmen oder tänzerischer Scherzandi bedient, aus dem Innersten heraus entspricht, liegt auf der Hand. 2017 ist nun bei Schott Music auch die (44-seitige) Ausgabe der Fassung des Werks für Orgel solo erschienen.
Der erste Teil des Triptychons, Zortziko (ein überaus populärer baskischer Tanz), ist als eine Hommage an den 1988 verstorbenen baskischen Zarzuela-Komponisten Pablo Sorozábal gedacht und verarbeitet in der majestätischen Introduktion thematisch das „Incipit“ eines seiner Lieder (Maite). Der Hauptteil ist nach einem reich ornamentierten rezitativischen Zwischenspiel als brillante motorisch-bewegte Toccata in Sechzehntel-Arabesken gestaltet, im 8/8-Rhythmus, der betonungsmäßig in 2/2 + ½ + 1 Achtel gruppiert ist. Das Pedal skandiert dazu in Quinten oder Quarten den ostinaten Grund-Rhythmus. Eine exaltierte Coda steigert diesen Impetus zu frenetischem Jubel.
Ezpata Dantza, das zweite Stück, huldigt einer traditionellen Tanzform, die im Hinterland zwischen Bilbao und San Sebastián beheimatet ist: dem Schwertertanz aus Durango. Er wird zum Fronleichnamsfest während der Messe vor dem ausgestellten Sakrament aufgeführt; gleichwohl hat er mythische Ursprünge in der Bedeutung des Schwerts als Licht- und Energieträger. Der 8/16-Takt ist aufgegliedert in 3 + 2 + 3, wobei die sechste Sechzehntel jeweils eine Betonung erhält. Formal bildet der Satz ein achttaktiges Ritornell, das sich unregelmäßig und jeweils transponiert zwischen den verschiedenen Verarbeitungen eines zweiten, fröhlichen Tanzthemas herum gruppiert und sich im Verlauf eine ekstatische Stei­gerung erfährt. Das Finale (Widmung: „à ma femme María-Bernadette Dufourcet Bocinos“) des Triptychons bildet ein baskischer Fandango im 6/8 Takt, in dem die Betonung bei gleichbleibenden Sechzehntel-Bewegungen zwischen 3 x 2 und 2 x 3 alterniert. Nach einem kantablen Mittelteil folgt die baskische Spezialität des Fandango: der sogenannte Arin Arin, eine rasante Stretta im geraden 2/4-Takt.
Das gesamte Werk bewegt sich harmonisch weitgehend in tonalen Zentren und ist, raffiniert gewürzt mit typisch ajoutierten Klängen à la francese , von mittlerem Schwierigkeitsgrad. Die Partitur der Orgelfassung rechnet mit einem orches­tral ausgelegten dreimanualigen Instrument. Die unmittelbar mitreißende, die Welt baskischer Volkstanzkunst feinsinnig-gekonnt beschwörende Wirkung dieser Musik wird Spieler wie Hörer gleichermaßen begeistern!

Stefan Kagl