Debussy, Claude

Transkriptionen für Orgel Prélude à l’après-midi d’un faune / Trois Nocturnes

bearbeitet und hg. von Jörg Abbing

Verlag/Label: Dr. J. Butz-Musikverlag 2518
erschienen in: organ 2013/01 , Seite 62

Die Orgel ist im Œuvre Claude Debussys (1862-1918) so gut wie nicht berücksichtigt. Als Kritiker der Uraufführung von Louis Viernes 2. Symphonie lobte Debussy seinerzeit die „sinnreichen Erfindungen im spezifischen Klang der Orgel“. Bis heute sind einschlägige Bearbeitungen aus seinem Schaffen allerdings rar – und dies nicht ganz ohne guten Grund, wie es scheint.
Der vorliegende Band beinhaltet Orgeltranskriptionen von zentralen Orchesterwerken Debussys, die bereits Maurice Ravel seinerzeit für Klavier bearbeitete. Der Heraus­geber vermerkt hierzu: „Die instrumentale Einrichtung orientiert sich an einer dreimanualigen Orgel französisch-symphonischer Prägung.“ In den Jahren 1897-99 entstanden die Trois Nocturnes für großes Orches­ter. Der in ruhigem Viertelgrundpuls fließende, atmosphärische erste Satz „Nuages“ ist besonders aufgrund des linear-flächigen Moments auf der Orgel gut darstellbar. Durchaus gekonnt transferiert Abbing die dem Stück immanenten ostinaten Figuren, Orgelpunkte (Bordun-Klänge) und rhythmischen Über­lagerungen verschiedener musikalischer Ebenen. Hervortretende Solo­stimmen, aber auch übereinandergeschichtete Akkordmixturen wie archaisierende organale Quart-/ Quintklänge werden entsprechend abgebildet.
Für „Fêtes“, den ersten Teil der Nr. 2 – mit schneller, durchgängiger Achteltriolenbewegung, sollte die Orgel unbedingt über eine „schnelle“ und wendige Traktur verfügen, gerade im Hinblick auf die häufigen Tonrepetitionen. Der „tanzende Rhythmus“ verlangt vom Interpreten zudem neben profunder Technik einen feinen, lichten Anschlag, ganz nach Manier des von Debussy überaus geschätzten pianistischen jeu perlé. Klanglich lässt sich der Satz mit den angegebenen „französisch-symphonischen“ Registrieranweisungen unkompliziert realisieren. Zuweilen – etwa im Mittelteil, mit prägnanten Trompetenfanfaren – kann jedoch eine aus Debussys Instrumentation abgeleitete Umsetzung die charakteristische Färbung („couleur“) unterstreichen.
Das dritte Nocturne, „Sirènes“, spiegelt „das Meer“: „wie in den mondversilberten Wellen der geheimnisvolle Gesang der Sirenen auflacht und in der Unendlichkeit verhallt“. Debussy verbindet den hinzutretenden vokalisierenden Frauenchor mit den Instrumentalstimmen zu einem äußerst differenzierten Klanggemälde. Dergestalt manifestiert sich die wellenartige Dynamik in kleingliedrigem An- und Abschwellen kurzer Motive ebenso wie in den großen Bögen. Die vom Komponisten bewusst intendierten feinen Nuancierungen der Binnendynamik im orchestralen Satz und ebenso das Fehlen der Klangfarben von Chor und Orchester führen den Bearbeiter hier freilich an natürliche Grenzen und lassen eine adäquate Transkription für die Orgel insgesamt doch problematisch erscheinen.
Schlüssig zeigt sich indes Abbings Adaption von Debussys weit in die musikalische Moderne weisenden Prélude à l’après-midi d’un faune.
Letztlich bleibt immer abzuwägen, inwieweit der an sich „statische“ Orgelklang der impressionis­tisch „flexiblen“ Klangintensität De­bussys und dem konstitutiven Element der orchestralen Farbe überhaupt gerecht werden kann.

Jürgen Geiger