Transformations of Time – Musik für Schlagzeug und Orgel

Duo Carillon spielt Werke von Berthold Hummel, Dieter Mack, Bernfried E. G. Pröve, Violeta Dinescu, Theo Brandmüller und J. S. Bach

Verlag/Label: Edition zeitklang ez-53051 (2013)
erschienen in: organ 2014/02 , Seite 56

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Zu einem „In memoriam“ ist diese CD-Neuerscheinung geraten: Der Ende 2012 verstorbene Komponist (Messiaen-Schüler) und Organist Theo Brandmüller konnte noch kurz vor seinem Tode die Einspielung seiner 1978 entstandenen Elegia durch das Duo Carillon anhören und die „perfekte Registrierung“ sowie die „assoziationsreichen Klangfarben“ loben, die Andreas Hoffmann (Orgel) und Armin Sommer (Schlagzeug) in ihrer Realisation der Partitur zu finden vermochten.
Schlagzeug und Orgel: das ist eine in der Musik – nicht erst – seit dem späteren 20. Jahrhundert längst eta­blierte Klangkombination, wie eine weitere, direkt In memoriam betitelte Komposition von 1980 zeigt, die von Berthold Hummel in Erinnerung an den Musiker Dietrich von Bausznern* geschrieben wurde und sich auf eine aus dessen Namen entlehnte Tonbuchstaben-Reihe gründet. Fantas­tisch ist es, wie das Duo Carillon in der einleitenden „Invocation“ den Schlagzeugeinsatz unmerklich aus dem Orgelklang he­raustreten und auch in der folgenden exzessiven „Toccata“ sowie im ruhig-sanglichen „Requiem“-Schluss alle Klangquellen zu einem einzigen überdimensionalen Riesen-Instrument zusammenwachsen lässt.
An zwei unterschiedlichen Orten entstanden die auf der vorliegenden CD zu hörenden Aufnahmen: einmal in der Kirche St. Nikolaus in Konz an der Mosel, wo eine dreimanualige Orgel von Thomas Gaida (2011) zur Verfügung stand, und zur anderen Hälfte an der gleichfalls von Gaida 2011/12 renovierten, in den Jahren 1952–55 errichteten Haerpfer-Erman-Orgel von Sankt Peter in Bous (Saar). Beide Instrumente mit ihrer speziellen Regis­trierungs- bzw. Klangcharakte­ris­tik schienen den Interpreten für ihr Projekt, Orgeltöne und Schlagzeugklänge zu einer akustischen Einheit zu integrieren, prädestiniert.
Zum Repertoire dieser CD-Neuproduktion zählen weiter Violeta Dinescus von Naturerlebnissen inspirierte, Massivität und Fragilität in spannungsvolle Wechselbeziehung setzende Komposition Le Rocher Tremblant de Sept Faux sowie Dieter Macks Stream; Letzteres lässt in seiner rhythmischen Anlage durchaus die Inspiration durch das indonesische Gamelan-Musizieren erkennen. Der Kirchenraum als Entfaltungsort der sich verbindenden Klangquellen ist hier kompositorisch ebenso mitgedacht wie in Bernfried E. G. Pröves filigran beginnender, sich später aber rhythmisch verdichtender Pulsation VIIIb.
Dass Berthold Hummel sein In memoriam in ein Zitat von Bachs Wenn wir in höchsten Nöthen sein münden lässt, motiviert die beiden Partner des Duo Carillon, ihre Einspielung mit Bachs derselben Melodie folgendem Vor Deinen Thron tret’ ich hiermit BWV 668 zu schließen. Gleichsam entmaterialisiert klingt Bachs Satz in der eigenwilligen Übertragung der Oberstimmen auf das Vibraphon, während die Orgel ätherisch zart grundiert.

Gerhard Dietel

* Dietrich von Bausznern (1928–80) war Komponist, Kantor, Organist und Musiklehrer.