Watkins, Huw
Toccata for organ (2012)
Der 1976 in Südwales geborene Huw Watkins ist ein in Organistenkreisen bislang weitgehend (noch) unbeschriebenes Blatt. Innerhalb der Biografie des Pianisten und Komponisten, der am weltberühmten Kings College Cambridge und am Royal College of Music in London studiert hat, stellt die Orgel denn auch nur eine Randerscheinung dar. Die beiden bei Schott Mainz edierten Stücke Pièce dOrgue (2005) und Toccata (2012) bleiben bislang die einzigen Schöpfungen für das königliche Instrument. Die Toccata wurde am 21. Oktober 2012 durch den Widmungsträger David Graham an der großen A. Cavaillé-Coll-Orgel von Saint-Sulpice in Paris uraufgeführt.
Seinen kompositorischen Durchbruch erlangte Watkins 1999 mit der vom Nash Ensemble uraufgeführten Sonata for cello and eight instruments sowie durch seine ein Jahr später vom BBC National Orchestra of Wales aus der Taufe gehobene Sinfonietta unter Grant Llewellyn. Endgültig etablieren konnte sich der Waliser durch sein London Concerto, eine Auftragskompositionen, die das London Symphony Orchestra zu seinem hundertjährigen Bestehen erteilte. Watkins lehrt derzeit als Professor für Komposition an der Royal Academy of Music und gilt zudem als einer der herausragenden englischen Pianisten seiner Generation.
Eine filigrane, über weite Strecken transparente Schreibweise lange, einstimmige Passagen, auch mal zweistimmig oder mit lang ausgehaltenem Orgelpunkt zeichnet den Orgelstil Watkins aus. Das pianistisch anspruchsvolle, jedoch weitgehend spröde Laufwerk seiner Toccata verlangt dabei einen fingertechnisch sehr versierten Spieler, der sich dieses auch musikalisch nicht unbedingt leicht zu erschließenden Werks annimmt. Es schleicht sich beim Hören der Verdacht ein, dass Watkins mit der Orgel als Klangfarbeninstrument nicht wirklich vertraut zu sein scheint. Auch der rudimentäre Gebrauch des Pedals ist im Gegensatz zu den Manualpassagen vom Blatt spielbar. Entsprechend objektiviert präsentiert sich der Klangreiz dieses Stücks.
War die musikalische Avantgarde einst auf der Suche nach einer neuen, un-er-hörten Musik, so legt sie heute häufig ein merkwürdig anachronistisches Verharren in der Vergangenheitsreflexion an den Tag. Wem in Bezug auf Orgelmusik Emotion und Sinnlichkeit grundsätzlich eher suspekt sind, der kommt hier jedoch auf seine Kosten. Nur: begeisterten breiten Publikumszuspruch darf man als Interpret bei diesem Werk wohl eher nicht erwarten.
Wolfgang Valerius