Meyer, Rudolf

Toccata (2010) per l’elevatione dell’organo Metzler, a. d. 1960 di Grossmünster Zurigo

hg. von Lehel Donáth

Verlag/Label: Müller & Schade, M&S 2252
erschienen in: organ 2014/04 , Seite 60

Der Schweizer Organist und Organologe Rudolf Meyer (*1943) hat mit seiner 2010 entstandenen und jüngst beim Berner Musikverlag Müller & Schade AG erschienenen Toccata einen recht instruktiven Beitrag zur zeitgenössischen Orgelmusik vorgelegt. Stilistisch betrachtet mag die Faktur ein wenig „retrospektiv“ anmuten, das Werk ist aber im bes­ten gattungsgeschichtlichen Sinne eine Toccata mit stark improvisatorisch-rhapsodischem Charakter.

Unverkennbar, wie auch im Titel schon ausgedrückt, erscheinen Bezüge zu Frescobaldis Elevationsmu­siken aus den Fiori musicali, mal stark verfremdet, mal dem Original sehr nahe (so am Ende des Stücks). Ebenso offensichtlich präsentiert sich die eigentlich eher präludienhafte Motivik von Bachs Dorischer Toccata, die Meyer aber sehr subtil auffächert und rhythmisch differenziert weiterentwickelt. Auch das im Evangelischen Gesangbuch – wenn auch mit anderem Text – enthaltene Lied Herr, nun heb den Wagen selb des Schweizer Reformators Huldrych Zwingli erscheint im Laufe des Stücks in verfremdeter, motivisch aufgespaltener und am Ende dann originaler Gestalt und dient damit als permanentes thematisches Durchführungsmaterial. Das Hin- und Her-Mäandern bzw. das Überlagern und In-Beziehung-Setzen von Choral, Toccata durezze und spätbarocker Motorik machen ein wesentliches Moment dieser Komposition aus.

Schnell einstudiert ist das etwa zwölfminütige Werk ganz gewiss nicht, stellt es doch den Interpreten – will man die Partitur gewissenhaft umsetzen – vor nicht unerhebliche Herausforderungen. Die nähere Beschäftigung mit dieser Musik lohnt allemal, auch wenn sie dem Spieler/ Hörer auf den ers­ten Blick eher sperrig entgegenzukommen scheint. So erschließen sich manche Inhalte, Schönheiten und Überraschungen erst nach und nach.

Hilfreich sind die detaillierten Registrierungsvorschläge, die sich exemplarisch auf die große Metzler-Orgel des Züricher Großmünsters beziehen. Wenn auch nicht immer ein so opulentes und farbenreiches Instrument zur Verfügung steht, liefern die Registriervorschläge in jedem Fall nützliche Hinweise auf den vom Komponisten intendierten, dem Œuvre innewohnenden „Klanggeist“. Insofern bleibt Meyers Toccata per l’elevatione dell’organo Metzler mit etwas Fantasie auch auf kleineren zweimanualigen Orgeln recht gut umsetzbar.

Christian von Blohn