Feller, Harald

The Young Person’s Guide to the Organ

Thema, Variationen und Fuge für Orgel und Sprecher

Verlag/Label: Schott Music ED 22322
erschienen in: organ 2016/03 , Seite 63

Inspiriert von Benjamin Brittens The Young Person’s Guide to the Orchestra schrieb Harald Feller dieses Werk für Orgel und Sprecher. Durch die Verbindung der besonderen musikalischen, technischen und klanglichen Möglichkeiten der Orgel möchte der er 1951 geborene Komponist beim Hörer Inte­resse und Begeisterung für Orgelmusik wecken und sie einem breiteren (nicht nur jungen!) Publikum zugänglich machen. Das ca. zwanzigminütige Werk kann auch ohne Sprecher aufgeführt werden. Die Ausgabe präsentiert sich auf dem für Schott Music üblichen hohen Herstellungsniveau und in brillanter Printqualität.
Feller studierte an der Münchner Musikhochschule Orgel bei Franz Lehrndorfer (dem das Stück in memoriam zugedacht ist) und vertiefte seine Studien bei Marie Claire Alain in Paris. Seit 1983 ist er Professor für Orgel an der Münchner Hochschule und kann auf eine rege Konzerttätigkeit zurückblicken. Zudem hat er für die Verfilmung (1992) von Robert Schneiders Roman Schlafes Bruder die Orgelpartien eingespielt.
The Young Person’s Guide to the Organ bewegt sich technisch auf anspruchsvollem bis schwierigem Niveau. Die komplexe Freitonalität ist nicht leicht durchzuhören; der Intention einer quasi propädeutischen Kompositionen für Orgelfreunde jedweden Alters vermag die Komposition nur bedingt gerecht zu werden. Die Sprecher-Kommentare zur Einführung in die klanglichen Möglichkeiten (Variationsteil), laut Vorwort „gut geeignet für die Darstellung … unterschiedlichster Instrumente“, sind gut gemeint, wohl aber entbehrlich, denn das kann in individueller Weise jeder Ausführende für seine potenzielle Hörergemeinde selbst bewerkstelligen. Sie wirken zudem akzidentiell und stehen nur in bedingtem Zusammenhang mit der Artifizialität von Fellers kompositorischer Handschrift. Die sich anschließende Fuge präsentiert sich in Reger- und Hindemith-naher polyphoner Faktur, das rhapsodische Finale verrät den Blick ins orgelsinfonische Frankreich des 20. Jahrhunderts.
Der selbst instrumentalmethodisch und -didaktisch tätige Rezensent hätte sich – dem vorgegebenen Motto Brittens folgend – eine leichter fassliche Ausarbeitung des gestellten Themas gewünscht, um die anvisierte Zielgruppe adäquater „abholen“ zu können. So entwickelt sich aus der pädagogisch zweifellos gut gemeinten Absicht mehr eine Selbstdarstellung des Komponisten, zweifellos auf beachtlichem Niveau. Ob Franz Lehrndorfer, der durch Improvisationen über Kinderlieder eigentlich immer den nervus rerum einer Einführung in Orgelklang und Spieltechnik für seine begeis­terten Hörer traf, mit der ehrenvollen Absicht seines Schülers Feller hier wohl einverstanden gewesen wäre? Weniger wäre in diesem konkreten Fall zweifellos mehr gewesen.
Es besteht die Befürchtung, dass der Schlusssatz von Fellers Vorwort, nämlich „einen kleinen Beitrag [zu] geben“, die Königin der Instrumente einem noch breiteren Publikum zugänglich zumachen, unversehens im Bereich einer pädagogisch-künstlerischen „musica riservata“ steckenbleiben könnte

Wolf Kalipp