Holst, Gustav

The Planets, op. 32

Transkrip­tion für Orgel von Peter Sykes

Verlag/Label: Oehms Classics OC 683 (2011)
erschienen in: organ 2011/04 , Seite 48

Bewertung: 4 Pfeifen

Sieben Planeten kannte das helio­zent­rische System des Altertums, und sieben Gestirne waren es wieder, die Gustav Holst (1874-1934) in seiner Orchestersuite Die Planeten (ohne die Erde) unter astrolo­gischen Aspekten musikalisch charakterisierte. Freilich: die Inhalte hatten sich zwischenzeitlich gewandelt. Sonne und Mond rechneten nach der kopernikanischen Wende nicht mehr dazu, während andererseits Neuentdeckungen die Zahl ausglichen: der 1781 von William Herschel gesichtete Uranus und der erst 1846 entdeckte Neptun.
Die vorliegende Einspielung des Werks verblüfft, denn sie erklingt in einer Übertragung für Orgel durch den US-amerikanischen Organisten und Cembalisten Peter Sykes. Diese Transkription besitzt sogar einen Hauch von aufführungspraktischer „Authentizität“. Denn als Holst vor der Orchestrierung seiner Komposition zunächst eine Fassung für zwei Klaviere erstellte, schien ihm deren Klang für den „Neptun“-Satz zu „materiell“, so dass er ihn letztlich der Orgel vorbehielt.
Die Einspielung der kompletten Übertragung auf der vorliegenden CD hat Hansjörg Albrecht bewerkstelligt, der schon mehrfach mit Interpretationen von Orchestersinfonik oder Opernmusik auf der Orgel hervorgetreten ist: etwa einem Querschnitt von Wagners Ring oder Mus­sorgskijs Bilder einer Ausstellung. Für sein Holst-Projekt standen Al­brecht wiederum beide Orgeln von St. Nikolai in Kiel zur Verfügung: die 1921 für Torcoing (Nordfrankreich) errichtete spätsymphonische Mutin-Orgel (18/II/ P), die 2004 restauriert und nach Kiel transloziert wurde, sowie die dreimanua­lige, 48-stimmige Kleuker-Orgel (1965). Von einem Generalspieltisch aus lassen sich beide Orgeln kombinieren, was Albrecht weidlich ausnutzt, um insbesondere durch das Zusammenkoppeln der Grundstimmen einen besonders voluminösen Raumklang der Fonds zu erzeugen, oder – wie der Interpret selbst es nennt – einen „Bayreuth-Orchester­grabeneffekt“.
Wenn die Qualität von Transkriptionen sich an der Nähe zum Original bemisst, so ist die vorliegende Bearbeitung hervorragend gelungen: die opulente Klangpalette von Holsts Orchestersatz findet ihr Pendant in den Mitteln einer „para-sinfonischen“ Orgel. Der kriegerische Marsch des Mars im 5/4-Takt erklingt anfangs fast geräuschhaft dröhnend (wohl mit 32’-Untersatz). Wunderbar kontrastieren hierzu die schwebenden, von ferne tönenden Schwellklänge des „Venus“-Satzes. Schnelle Manual- und Registerwechsel kennzeichnen die rastlose Beweglichkeit des Merkur, majes­tä­tische Hymnik den Gottvater Jupiter. Gleichermaßen überzeugend präsentiert Albrecht den „Saturn“-Satz mit seinen überwältigenden Steigerungen, den launisch-sprunghaften Uranus, dessen Porträt anmutet, als sei es von vornherein als Toccaten- und Fanfarenstück für Orgel konzipiert worden, und schließlich als ätherisch entschwebendes Finale „Neptun, den Mystiker“, der hier auch ohne die originalen Frauenchor-Vo­kalisen einen entrückten Eindruck hinterlässt.

Gerhard Dietel