The Green Album

Hits for Organ II

Verlag/Label: Carus 18.089
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2020/04 , Seite 62

Man sollte meinen, dass es genug an Orgelmusik quer durch die Jahrhunderte gibt, so dass Kirchen- und Konzertorganisten nicht an Repertoire-Mangel leiden. Trotzdem – die vielfältigen klanglichen Möglichkeiten des Instruments haben seine Spieler immer wieder animiert, Mu­sikstücke für die Orgel zu arran­gieren, die im Original für andere Besetzungen geschrieben wurden: Geistliches und Weltliches, Vokales und Instrumentales, gewichtig Sinfonisches wie kammermusikalisch Intimes gleichermaßen, wenn es aufgrund seiner Popularität zur Adaption reizte.
Ganze Anthologien einschlägiger Bearbeitungen wurden seit dem 19. Jahrhundert veröffentlicht. An sie knüpfte das 2004 im Carus Verlag erschienene Red Album an, das dem Organisten eine Kollektion von Hits for Organ lieferte. Die Nachfrage nach derartigen „Hits“ scheint ungebrochen, so dass der Kirchenmusiker und Musikwissenschaftler Helmut Völkl als Herausgeber nun als zweiten Band ein Green Album folgen lässt (womit das Farbenspektrum für mögliche weitere derartige Publikationen offensichtlich noch lange nicht ausgereizt ist).
Von der Übergangszeit zwischen Renaissance und Barock – repräsentiert durch ein Ballet des coqs von Michael Praetorius – reicht die in etwa chronologisch angeordnete neue Sammlung von insgesamt 23 Stücken bis hin zum frühen 20. Jahrhundert, vertreten durch das „Preludio“ aus Respighis Gli Uccelli als Schlussnummer. Manche Bearbeitungen wurden eigens für diesen Band geschaffen, andere, die von früheren Organisten und Orgelkomponisten wie William Thomas Best, Edwin Henry Lemare oder Felix Alexandre Guilmant stammen, sind selbst schon historisch und vom damaligen Zeitgeschmack geprägt, wenn etwa Lemare Schumanns Träumerei zum „Adagio sos­tenuto“ mit differenzierten Regis­ter-, Dynamik- und Tempoanweisungen werden lässt.
Eine wenigstens zweimanualige Orgel ist Voraussetzung für die meis­ten der Arrangements, um Melodie und Begleitstimmen klar trennen zu können. Spieltechnisch gehen sie über einen mittleren Schwierigkeitsgrad nicht hinaus; dass es in Chopins Nocturne op. 9/2 heikle Konflikt-Rhythmen gibt, liegt am Klavier-Original, nicht an der Bearbeitung. Manches, vor allem Kürzeres von ein bis zwei Druckseiten Umfang, eignet sich durchaus für den gottesdienstlichen Gebrauch, darunter etwa der Schluss­choral aus Bachs Motette „Komm, Jesu komm“ oder Regers „Mariä Wiegenlied“.
Doch verspricht das Vorwort nicht nur Stücke, die von vornhe­rein geistlichen Bezug haben, sondern „Werke für die Kirche wie für den Zirkus“. Zu letzteren zählen vor allem die Nummern, bei denen die Orgel tanzen darf, angefangen mit Boccherinis „Menuett“-Hit über ein charmantes Klavier-Menuett Beethovens bis hin zum Ohrwurmtango von Isaac Albeniz. Eher für den Konzertgebrauch dürften die umfangreicheren Bearbeitungen geeignet sein: jene des langsamen Satzes aus Mozarts Streichquartett KV 590 und des Lieds ohne Worte für Cello solo und Klavier op. 109 von Felix Mendelssohn.

Gerhard Dietel