Karg-Elert, Sigfrid
The Complete Organ Works, Volume 10
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Als Regers Choralvorspiele veröffentlicht wurden, zogen wir unsere Hüte vor Ehrfurcht, als aber Sigfrid Karg-Elerts Choral-Improvisationen erschienen, warfen wir sie vor Freude in die Luft.
Dieses Bonmot ist durch Sigfrid Karg-Elerts englischen Biografen G. Sceats überliefert; formuliert hat es Harvey Grace, der in Deutschland auch durch seine Novello-Ausgaben der Rheinberger-Sonaten und ein dazu gehörendes, noch immer lesenswertes Buch bekannt wurde. Hübsch gesagt! Darin drückt sich nicht nur ein Geschmacksurteil aus: Dass Max Reger eher als hässlicher Deutscher wahrgenommen wurde, ist ebenso gewiss wie der pardon! deutlich höhere Spaßfaktor in Karg-Elerts op. 65. Eine so graziöse Fughette wie op. 65/Nr. 23 (Allein Gott in der Höh
), ein so komprimierter Osterjubel wie in Nr. 25 (Erschienen ist
) oder die illustrative Filmmusik in Nr. 33 (Wachet auf
)
alle in Heft III oder das filigrane Herr, wie du willst (IV/36), die Passacaglia über Jesu, meine Freude (Nr. 38) oder der sanft leuchtende Morgenstern (44): Das muss erst einmal jemandem einfallen!
Tatsächlich spielt das Moment des glücklichen, aparten oder auch originellen Einfalls bei Karg-Elert (18771933) eine ungleich höhere Rolle als bei Reger, der auch schon mal weiterschreibt, wenn ihm nichts einfällt. Gleichwohl: Freuen wir uns, dass wir beide haben! Und freuen wir uns, dass mit Stefan Engels ein kompetenter Interpret sich der Gesamtwerks von Sigfrid angenommen hat. Auf zehn CDs hat er es vorgelegt, allesamt auf optimalen Orgeln (ja, die gibt es tatsächlich). Dass Engels in Leipzig lehrt und auch in den USA tätig war, ist ebenfalls stimmig: Leipzig (genauer: Straube cum suis) hat an Karg-Elert eine Menge gutzumachen. Unsere anglo-amerikanischen Kollegen haben ihm über die Jahrzehnte hin die Treue gehalten, während er hierzulande doppelt verfemt war: einmal als Komponist, der über den Zaun blickte (Opus 65 ist Alexandre Guilmant gewidmet), zum anderen als vermeintlicher Jude.
Die Orgel von St. Georg in Ulm (45/III/P; 1904 von Walcker gebaut; 2004 von Kuhn restauriert) ist für Opus 65 wie gebacken. Höchst erfreulich, diese CD!
Martin Weyer