The Aeolian Organ at Duke University Chapel

Werke von J. Sibelius, Herbert Howells, A. Fleury, E. H. Lemare, M. Dupré, R. Vaughan Williams, Herbert Brewer, William Bolcom und E. Gigout

Verlag/Label: SACD, Pentatone (2016)
erschienen in: organ 2016/03 , Seite 58

4 von 5 Pfeifen

„Sit back and enjoy!“ Diese vier Worte zieren die Rückumschlagseite des CD-Booklets, und eigentlich wäre damit (fast) schon alles gesagt … Doch hier zu den Vorzügen dieser rundum gelungenen Einspielung nun etwas detaillierter: Zunächst einmal ist eine Orgel zu erleben, die wahrlich alle Vorzüge einer orchestralen Orgel des frühen 20. Jahrhunderts in sich vereint. Dieses Opus 1785 ist zugleich das Opus ultimum der US-amerikanischen Aeolian Organ Company. Noch während der Bauphase wurde die Werkstatt von Skinner aufgekauft, die fortan unter „Aeolian-Skinner“ firmierte. Mit 81 Regis­tern für US-amerikanische Verhältnisse zwar nicht übermäßig groß, besitzt das Werk eine üppige Palette orchestraler Stimmen, die im Tutti zu beeindruckender symphonischer Wucht verschmelzen. Diese Orgel ist ein wahres Klangfarbenwunder, das nuancierteste Schattierungen und nahtlose dynamische Verläufe zulässt, in lauten Passagen aber zu keiner Zeit aggressiv klingt.
Der zweite hervorstechende Bonuspunkt dieser Einspielung ist freilich der Organist selbst. Mit Chris­topher Jacobson sitzt ein vorzüg­licher Musiker am Spieltisch, der die einzigartigen Vorzüge „seines“ Instruments kongenial in Szene zu setzen weiß. Hier ist kein oberflächlicher Virtuose, kein „Tastenakrobat“ am Werk, sondern frei von Manierismen und billiger Exaltiertheit steht zu jedem Zeitpunkt das Werk des jeweiligen Komponisten im Zentrum des Geschehens. Das Ergebnis ist eine gut einstündige, höchst spannende und kultiviert unterhaltende Darbietung mit emotional ansprechender Musik aus den ersten Dekaden des letzten Jahrhunderts.
Schon mit den ersten Takten von Sibelius’ Finlandia weiß Jacobson seine Hörerschaft zu fesseln. Er spürt die ganze Dramaturgie des Werks in einem geschlossenen Bogen nach, verliert nie das Ganze aus dem Blick. Gleiches gilt für die Rhapsodie Des-Dur von Howells, die im Vergleich zu seinen späteren Werken ungemein gelöst, geradezu heiter daherkommt. Fleurys „Vif“ aus der zweiten Orgelsinfonie gerät ihm hier zum unbeschwert-heiteren Scherzo voller Brillanz, zwar lebhaft, aber dennoch entspannt-unaufgeregt. Im Zentrum der Aufnahme stehen sodann Duprés Trois Préludes et Fuges op. 7 Nr. 1–3, ein epochaler Wurf des Mitzwanzigers. Bis heute zählen sie zum Anspruchsvollsten, was die symphonische Orgelliteratur Frankreichs zu bieten hat. Doch von wie auch immer gearteter interpretatorischer Mühe ist hier nichts zu spüren. Jacobson geht die Werke souverän an, dass technische Finessen ganz und gar in den Hintergrund treten zugunsten einer fein ziselierenden Klanglichkeit bei gleichzeitiger stimmlicher Transparenz.
Als Showdown sodann ein „Best off“ aus dem Repertoire angloamerikanischer Organisten: Vaughan Williams’ Rhosymedre, der von Elgars Pomp and Circumstance-Märschen inspirierte Marche héroïque von Herbert Brewer sowie William Balcoms klangsinnliches Gospel-Prelude Jesus love you, schließlich Gigouts Grand Chœur Dialogué in einer geschickten Bearbeitung für Orgel und Brass-Ensemble.

Wolfgang Valerius